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                                     Pegasus-Onlinezeitschrift VII/1 (2007), 114

Christian Zitzl

Die Tragik einer großen Liebe
Abaelard und Héloise im lateinischen Lektüreunterricht


Der folgende Beitrag möchte das Augenmerk auf einen lateinischen Autor des Mittelalters lenken, dessen Name zwar vielen bekannt, dessen sprachliche Brillanz aber den meisten eher verborgen ist. Im Folgenden werden zunächst (I) Leben und Werk Abaelards kurz vorgestellt. Danach folgen (II) Gedanken und Anregungen zur Lektüre Abaelards im Lateinunterricht.

 

1. Abaelard – Leben und Werk

Vorbemerkung: Die folgenden Ausführungen zu Leben und Werk Abaelards stellen im Wesentlichen eine Zusammenfassung der augenblicklich wohl als Standardwerk zu Abaelard anzusehenden Biographie „Abaelard. Ein mittelalterliches Leben“ von M. Clanchy dar. Sie verstehen sich nicht als Gegenentwurf, sondern als Ergänzung zu der in der Reihe Exempla (Band 9: Weltverzicht und Lebenslust, 36-37) dargebotenen Einführung zu Abaelard.

 

Abaelards Welt

Die Welt Abaelards war eine sich verändernde, religiös dominierte Welt. Im Geist der Scholastik versuchten die Gelehrten (magistri) die menschliche Vernunft mit der christlichen Offenbarung auf dem Weg des Zweifels zu versöhnen, denn „durch den Zweifel kommen wir zur Untersuchung und durch die Untersuchung erlangen wir die Wahrheit.“ (Abaelard, Sic et non) Das Göttliche wurde immer mehr zu einer abstrakten Idee, deren Analyse Gegenstand der Betrachtung war. Die lebendige Gegenwart Gottes geriet dabei nach Ansicht konservativer Christen auf nahezu gotteslästerliche Weise ins Hintertreffen. Der Grat zwischen Heiligem und Häretiker für einen Magister war oftmals sehr schmal.

Im Geist der von Papst Gregor VII. (1073-1085) initiierten Gregorianischen Reform wurde gestützt auf Mönche eine religiöse, politische und wirtschaftliche Erneuerung der mittelalterlichen Gesellschaft ins Werk gesetzt. Ziel dieser Erneuerung war vor allem der Stand der Kleriker (nicht so sehr der Ritter- und Bauernstand), deren Ehen vom Bischof bis zum Kanoniker und Mönch das Zweite Laterankonzil 1139 nach einer vorübergehenden Phase stillschweigender Duldung letztlich für ungültig erklärte.

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Von dieser Vorschrift waren auch die meisten Gelehrten betroffen. Wollten sie ihre Karriere nicht gefährden, mussten sie sich von ihren Frauen trennen. So wurden die Frauen, die bisher in großer Zahl in unklaren gesellschaftlichen Rollen innerhalb des Kirchenareals als Ehefrauen, Konkubinen oder auch als Kinder von Kirchenbeamten gelebt hatten, nun endgültig von dort ausgewiesen.

 

Magister Petrus (1094 -1117)

Der 1079 in Le Pallet bei Nantes als Sohn eines Ritters geborene Petrus Abaelard entschloss sich als junger Mann, Literat und Kleriker zu werden.(1) Der erste Lehrer Abaelards war Roscelin von Compiègne. Bei diesem studierte er nach Verlassen seiner Heimatstadt von ca. 1094 bis 1099. Danach ging Abaelard im Jahr 1100 zum besten Professor an die beste Bildungseinrichtung seiner Zeit und wurde an der Domschule von Paris Student bei Wilhelm von Champeaux. Mit seinem neuen Professor geriet Abaelard alsbald in Streit. Aufgrund seiner hervorragenden Begabung schaffte er es aber trotzdem bereits im Alter von 22 oder 23 Jahren, als Magister die Leitung einer eigenen Schule im südlich von Paris gelegenen Melun übertragen zu bekommen. Diese Schule verlegte er wohl 1004 nach Corbeil. Seine Lehrtätigkeit dort musste er aber bereits ein Jahr später wieder aufgeben. Der Grund dafür waren wohl Schikanen seines ehemaligen Professors Wilhelm von Champeaux, dem der unbotmäßige Schüler Abaelard, der mit seinen frechen Disputationen seine Kompetenz in Frage zu stellen versucht hatte, ein Dorn im Auge war: Wilhelm ließ seinen Einfluss am Hof des Königs spielen, Abaelard erlitt einen gesundheitlichen Zusammenbruch und musste sich vorübergehend in seine Heimat zurückziehen.

Erst 1108 kehrte er nach Paris zurück. Stur wie er war, studierte Abaelard dort wieder bei Wilhelm von Champeaux und forderte ihn erfolgreich zu einer Disputation heraus. Wieder hatte er trotz vieler Intrigen zunächst Erfolg, da er von dem zuständigen Magister mit dem Unterricht für Dialektik an der Domschule von Paris betraut wurde. Aber auch diesmal erwies sich letztendlich Wilhelm von Champeaux als stärker: Abaelard musste nach Melun zurückzukehren.

Als sich 1109 Wilhelm von Champeaux in seine eigene Klosterschule außerhalb der Stadtmauern von Paris zurückzog, witterte Abaelard eine neue Chance. Doch immer noch war Wilhelms Einfluss stark genug, um eine Lehrtätigkeit Abaelards in der Nähe der Domschule von Notre-Dame zu verhindern, sodass sich Abaelard mit einer Unterrichtstätigkeit außerhalb der Stadtmauern an der Kirche St.-Geneviève begnügen musste. Nach diesem für Abaelard enttäuschenden Teilerfolg zog er sich (angeblich, um den Eintritt seiner Eltern ins Kloster - einen damals üblichen Schritt der Altersvorsorge - zu regeln) erneut in seine Heimat zurück.

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Im Jahre 1113 wagte er, von unbezwingbarem Ehrgeiz getrieben, einen neuen Anlauf. Diesmal ging er zunächst nicht nach Paris, wo er persona non grata war, sondern an die etwa 150 km von dort entfernte Domschule von Laon, um dort Theologie bei Anselm von Laon zu studieren. In seinem neuen Fach legte Abaelard bald altbekannte Gewohnheiten an den Tag und begann (wohl im Vertrauen auf Stefan von Garlanda, den Kanzler des Königs) ein intellektuelles Duell mit seinem neuen Lehrer: Er blieb dessen Vorlesungen nicht nur fern, sondern erdreistete sich sogar, in dessen Schule eigene Vorlesungen zu halten. Anselm reagierte prompt und erwies sich vorerst als stärker: Abaelard wurde der Schule verwiesen. Doch diesmal durfte sich aufgrund der Protektion durch Stefan von Garlanda auf lange Sicht Abaelard als Gewinner fühlen. Denn schon im Jahr 1114 wurde er zum Magister an der Domschule von Notre-Dame in Paris ernannt - ein großer Triumph für den einst Geschmähten, der endlich sein großes Ziel erreicht hatte. Allerdings scheiterte Abaelard beim Versuch, seine Stellung innerhalb des Domkapitels von Notre-Dame durch eine Hausmacht dauerhaft abzusichern. Grund dafür war Héloise.

 

Miles amoris Petrus (ca. 1117 – 1118)

„Als Traumpaar einer tragisch unerfüllten Liebe“(2), blieben Abaelard und Héloise den nachfolgenden Generationen nicht nur Frankreichs, sondern ganz Europas im Gedächtnis, enthält ihre Geschichte ja genau das, was seit jeher Menschen wie magisch anzieht: sex and crime. Da der Ablauf ihrer Beziehung Gegenstand der Lektüre ist, reicht an dieser Stelle ein knapper Abriss - die originale und natürlich etwas ausführlichere Schilderung aus dem Munde Abaelards ist problemlos im Internet unter www.abaelard.de verfügbar(3):

Abaelard hatte in Paris die Gastfreundschaft von Fulbert, der in der Nähe der Domschule ein Haus besaß, in Anspruch genommen. Dieser war wie er Kanoniker von Notre-Dame und der Onkel und Vormund von Héloise. Abaelard wohnte in Fulberts Haus, als Bezahlung dafür erteilte er Héloise Privatunterricht. Quid plura? fragt Abaelard - „Muss ich noch mehr sagen?“ Der Unterricht trug weit mehr als die Früchte, die Fulbert sich erhofft hatte. Deshalb entführte Héloise in seine Heimat, wo sie ihm einen Sohn namens Astrolabius gebar. Zwar holte Abaelard Héloise zurück nach Paris, um sie zu heiraten. Aber Fulbert vermutete bald, er habe die Heirat abgelehnt, da Héloise diese hartnäckig bestritt. Daraufhin entführte Abaelard sie erneut, diesmal in das Kloster Argenteuil, wo sie als Mädchen erzogen worden war. Aus der Sicht Fulberts hatte Abaelard seiner Nichte damit nicht nur die Jungfräulichkeit geraubt, sondern auch noch die Unverschämtheit besessen, sie danach zur Nonne zu machen. Fulbert überzeugte seine Verwandten davon, dass die Familienehre gewahrt werden müsse. So ließ er Abaelard als angemessene Strafe für seine Tat kastrieren.

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Monachus Petrus (1118-1142)

In einer Mischung aus Verwirrung und Scham verlangte Abaelard nach seiner Kastration zunächst von Héloise, endgültig ins Kloster von Argenteuil einzutreten. Er selbst wurde Mönch in St. Denis und betrat einen neuen Kampfplatz: Ein neues Spiel war eröffnet. Da er nun eventuell zum ersten Mal den uneingeschränkten Zugang zu einer großen Bibliothek erhielt, fiel es ihm nicht schwer, seine Lehrtätigkeit als Magister wieder aufzunehmen und wie die großen christlichen Gelehrten als Schriftsteller tätig zu werden. Als es in der Abtei zu einem Streit mit Abt Adam kam, siedelte er als Probst in eine Klause (wohl in der Champagne) über und setzte dort seine Tätigkeit fort. Das Geld, das er dabei erwarb, sandte er zum Teil ans Kloster, zum Teil unterstützte er damit aber auch Héloise.

Diese unerwartete Fortsetzung seiner Karriere missfiel seinen Feinden und so verklagten sie ihn auf dem Konzil von Soissons 1121 wegen Häresie. Abaelards Theologia wurde verdammt und verbrannt, er selbst ließ sich, um einer Lynchjustiz zu entgehen, zunächst in der Abtei St. Medard in Soissons unter Hausarrest stellen, von dort wurde er dann in sein Kloster St. Denis zurückgesandt. Auf diese neue Situation reagierte Abaelard mit einem für ihn bezeichnenden, kühnen Schritt: Er beleidigte das Andenken des Hl. Dionysius und flüchtete nachts an den Hof des Grafen der Champagne. Die ihm dafür von der Abtei angedrohte Exkommunikation wurde zwar durch die Vermittlung von Stephan von Garlanda bald wieder aufgehoben, aber nur unter der Bedingung, dass sich Abaelard in die Einsamkeit zurückzog. So wurde Abaelard zum Eremiten und gründete mit materieller Unterstützung seines Schutzherrn und der offiziellen Genehmigung der Kirche etwa 1122 die Einsiedelei des Parakleten, wo sich sehr bald wieder Studenten um ihn scharten. In den folgenden Jahren entstanden dort die Theologia Christiana, Sic et Non, der Tractatus de Intellectibus, das Soliloquium, die Collationes und eventuell auch noch zwei Arbeiten über lateinische Grammatik und Rhetorik. Aber auch in seiner Einsiedelei fand Abaelard nicht allzu lange Ruhe, denn Bernhard von Clairvaux, dessen Abtei in nur 80 km Entfernung lag, hielt anscheinend seinen Einflussbereich für gefährdet.

So trat Abaelard 1125 bzw.1127 erneut den Rückzug an und wich in die Bretagne aus, wo ihm die Abtei von St. Gildas übertragen wurde. Der Magister war notgedrungen zum Abt geworden, kam aber mit der undisziplinierten Klostergemeinschaft in seiner bretonischen Heimat nicht zurecht. So kam es ihm wohl nicht ungelegen, als ihn Héloise, die mittlerweile Priorin des Konvents von Argenteuil geworden war, um Hilfe bat, da sie von Abt Suger von St. Denis der Unsittlichkeit beschuldigt und mit ihren Nonnen aus Argenteuil vertrieben worden war.


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Nach langen Verhandlungen, in denen es Abaelard gelungen war, Héloise 1129 die Kapelle des Parakleten durch Schenkung zu übertragen und 1131 für diese den Schutz Papst Innozenz' II zu erwirken, kehrte er Jahre später nach St. Gildas zurück. Als ihn die Mönche im Jahr darauf zu töten versuchten, verließ Abaelard St. Gildas und wurde erneut Magister am Mont-Sainte-Geneviève in Paris. In den Jahren seiner dortigen Lehrtätigkeit entfaltete er nochmals ein reiches literarisches Schaffen, da nun ca. 1132 oder 1133 die Historia calamitatum, bis 1137 die Parakletschriften (Brief 2-10) und evtl. 1138-1139 die Ethica entstanden.

Kurz darauf wurde er von Bernhard von Clairvaux 1140 auf dem Konzil in Sens ein zweites Mal wegen Häresie angeklagt, denn der von Zweifel und Vernunft geprägte, stets alles in Frage stellende, logisch-dialektische mit abstrakten Ideen von der Göttlichkeit argumentierende Glaube des Hochschullehrers Abaelard stellte für den glühenden Verehrer des Geheimnisses der lebendigen Gegenwart Gottes immer mehr eine Gefährdung der Wahrheit des christlichen Glaubens dar. Der Appell, mit dem sich Abaelard an den Papst Innozenz II. wandte, wurde abgeschmettert. Als Häretiker zu lebenslangem Schweigen verurteilt, wurde er von Petrus Venerabilis, dem Abt von Cluny, in Obhut genommen und starb 1142 in dem zu Cluny gehörenden Priorat St. Marcel bei Chalon-sur-Saône.

 

Mortuus Petrus (seit 1142)

Petrus Venerabilis überführte den Leichnam Abaelards persönlich zum Kloster des Parakleten und übergab ihn Héloise. Dort wurde er dem Wunsch Abaelards entsprechend im Oratorium Petit Moustier am Fuß des Hauptaltars bestattet, wobei er durch Petrus Venerabilis von allen Sünden freigesprochen wurde. Auf einer Grabstele wurde sein von Petrus Venerabilis auf Wunsch Héloises abgefasster Epitaph eingraviert. Als 1164 auch Héloise verstarb, wurde sie an der Seite ihres Gatten im Paraklet beigesetzt. Dort lagen die Gebeine der beiden bis 1497, als sie aus der Kapelle Petit Moustier in die Abteikirche des Paraklet überführt wurden, wo man sie 1621 unter den Hochaltar der Abbaziale des Paraklet umbettete. Als 1792 der Klosterverband während der Französischen Revolution säkularisiert und größtenteils abgerissen wurde, wurden die sterblichen Überreste von Abaelard und Héloise in die Pfarrkirche St.-Laurent in Nogent-sur-Seine überführt. Von dort gelangten sie 1817 auf den Friedhof Père-Lachaise in Paris, zu dessen Mythos sie den Grundstein legten.

 

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2. Abaelard und Héloise im Lateinischen Lektüreunterricht

Vorbemerkung: Die folgenden Überlegungen zur Lektüre Abaelards basieren auf der von mir bei C.C. Buchners vorgelegten Ausgabe „Abaelard und Héloise. Die Tragik einer großen Liebe“. Die allermeisten Gedanken sind aber auch für die Arbeit mit den in der Reihe Exempla (Band 9, Weltverzicht und Lebenslust, Vandenhoeck & Ruprecht) bzw. im Stark-Verlag erschienenen Ausgaben gültig.

 

Abaelards Historia calamitatum

Für den lateinischen Lektüreunterricht dürfte neben Auszügen aus dem Briefwechsel zwischen Abaelard und Héloise nur die Historia calamitatum Abaelards in Frage kommen. Diese wurde wohl im Jahr 1133 nach seiner Flucht aus St. Gildas verfasst. Vielleicht war sie ursprünglich wirklich das, was sie zu sein vorgibt: ein Trostbrief an einen Freund. Durch ihre Aufnahme in das Gründerbuch des Parakleten wurde sie aber zum Bestandteil eines Textkomplexes, der mit der Historia calamitatum (Brief 1) eröffnet, dem Briefdialog zwischen Abaelard und Héloise (Brief 2-5) fortgesetzt und dem eigentlichen Klostergründungsdokument bestehend aus pastoraler Anfrage (Brief 6), Nonnenspiegel (Brief 7) und Klosterregel (Brief 8), auf die alles zuzulaufen scheint, abgeschlossen wird.

Als Primärpublikum der Historia calamitatum sind die Klosterbewohner des Parakleten anzunehmen. Folglich dürfte sie als Konversionsgeschichte und moralisches Exempel, aber auch als polemische Gegendarstellung gegenüber rivalisierenden Magistern verstanden werden. Damit stellt sie nach unseren modernen Begriffen eine Autobiographie dar. Weit entfernt von jeglicher Neutralität scheint die Historia calamitatum ein kalkuliertes und ausgeklügeltes Produkt der Selbstverteidigung eines Mannes zu sein, der zu seiner Zeit ein höchst umstrittener „Star“ war: begnadeter Philosoph oder Troubadour und Possenreißer? Liebestoller Lehrer oder ehrwürdiger Klostergründer?

 

2. Methodisch-Didaktische Überlegungen

 

a) Textauswahl

So Unrecht man Abaelard damit als großem Theologen auch tun mag, für die heutige schulische Auseinandersetzung mit dem lateinischen Original kommt nur das Herzstück der Historia calamitatum in Frage. Deshalb beschränkt sich der lateinische Text der von mir bei C.C. Buchners vorgelegten Ausgabe auf die bis heute in Erinnerung gebliebene Liebesgeschichte von Abaelard und Héloise.(4) Diese Beschränkung gebieten insbesondere die folgenden Kriterien:

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b) Textgestalt

Um eine allzu langatmige und damit meist auch langweilige Übersetzungsarbeit zu vermeiden, ist es geboten, selbst die Lovestory nochmals zu raffen. Als verbleibendes Textkorpus ergibt sich somit folgender Bestand:(6)

Hist. cal. 242 – 259

T1: Prolog

 

Hist. cal. 260 – 287

T2: 1. Akt

 

Hist. cal. 288 – 310a

T3: 2. Akt

310b – 328a evtl. als Schulaufgabe

Hist. cal. 328b – 352

T4: 3. Akt

353 – 364 zur Straffung ausgelassen

Hist. cal. 365 – 374a + 476 - 497

T5: 4. Akt

374b – 475 (mit Auslassungen als T8 im Anhang); 485 – 487 zur Straffung ausgelassen

Hist. cal. 498 – 524b

T6: 5. Akt

524b - 533 zur Straffung weggelassen

Epistula 2, 1-2; 9

T7: Epilog

 

Um diesen verbleibenden Textbestand zumindest einigermaßen flüssig übersetzbar zu gestalten, sind leichte Adaptionen allerdings unumgänglich, selbst wenn Abaelard dem klassischen Latein verhaftet ist.

 

c) Einordnung in den Lektüreunterricht

Der richtige Platz im Lektüreunterricht dürfte sowohl aufgrund der sprachlichen Schwierigkeit (häufiger Gebrauch von Ablativus absolutus, Participium coniunctum und AcI) als besonders aufgrund der delikaten Thematik die 10. Jahrgangsstufe sein.(7) Eine Lektüre Abaelards - zumal in leicht adaptierter Form - führt die Schüler nicht vom klassischen Latein weg, sondern erweist sich als hilfreich, das im Grammatikunterricht Erlernte anzuwenden und nachhaltig zu sichern.

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d) Prüfungsarbeiten

Abaelard schreibt durchaus anspruchsvolles Latein. Nichtsdestotrotz lassen sich relativ problemlos Prüfungstexte finden, indem man auf die leicht bei Reclam zugänglichen Gesta Romanorum ausweicht. Diese bieten ein großes Reservoir an thematisch und sprachlich ähnlichen, aber doch deutlich leichteren Texten, die sich als gute Grundlage für Prüfungsarbeiten heranziehen lassen.

 

e) Abaelard - Klassiker des Mittelalters

Abaelard gehört zwar aus unserer heutigen Sicht dem Mittelalter an, er selbst hätte sich über diese Zuordnung aber wohl eher gewundert. Im Bewusstsein, ein Zwerg auf den Schultern von Riesen zu sein, schrieb er ein gutes klassisches Latein, das sich hinter dem Latein der antiken Autoren, an denen er sich mit akribischer Strenge geschult hatte, kaum zu verstecken braucht. Berücksichtigt man dies, so sollte man Abaelard, der zur letzten Generation in Frankreich zählt, für die das Lateinische noch nicht eine fremdartige, vom Lebensalltag abgesonderte Sprache darstellte, seinem eigenen Empfinden entsprechend als späten, vielleicht auch letzten Vertreter der römischen Antike betrachten.(8) Als solcher ist er bis heute ein vielen - wenn auch nur durch seine Affäre mit Héloise - bekannter Klassiker des Mittelalters geblieben, der es lohnt, in seiner ganzen historischen Tragik auch heute noch betrachtet zu werden. Den Ansatzpunkt kann aber einzig und allein seine große Liebe zu Héloise bilden.

Das anschließende kurze Literaturverzeichnis und die folgenden Tafelbilder mit abschließendem Arbeitsblatt sollen Appetit auf mehr machen:

 

Textausgaben

Abaelard. Die Leidensgeschichte und der Briefwechsel mit Heloïsa, übertr. und hrsg. von Eberhard Brost, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2004.

Abaelards „Historia calamitatum“. Text – Übersetzung – literaturwissenschaftliche Modellanalysen, hrsg. von D. N. Hasse, Berlin 2002.

Gesta Romanorum, ausgew., übers. und hrsg. von R. Nickel, Stuttgart 1991 (Reclam 8717)

Petri Abaelardi Historia Calamitatum. Texte mit Anmerkungen und Zusatzmaterial, bearb. von M. Krichbaumer, Freising: Stark 2003 (=LEKTÜRE LATEIN)

Weltverzicht und Lebenslust. Das Mittelalter in lateinischen Texten, hrsg. von H.-J. Glücklich, Göttingen  2. Aufl. 1997 (Exempla 9)


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Sachbücher

Clanchy, M., Abaelard. Ein mittelalterliches Leben, Darmstadt 2000.
Fumagalli, M., Heloïse und Abaelard, Düsseldorf 2001.
Podlech, A., Abaelard und Heloïsa oder Die Theologie der Liebe, München 1990.

Romane

Audouard, A., Abschied von Heloise, München 2002.
Rinser, L., Abaelards Liebe, Frankfurt am Main, 1991.


Anhang:
Tafelbilder (PDF)

Christian Zitzl
Saußbachstr. 33
74078 Freyung
zitzl.@t-online.de


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(1) Der Lebenslauf Abaelards ist uns nur aus seiner – allerdings sehr subjektiven – Historia calamitatum bekannt. Aus Mangel an weiteren Quellen bleibt vieles im Ungewissen.

(2) M. Asper, Rezeptionsästhetik in: Hasse D. N., Abaelards „Historia calamitatum“, Berlin 2001, 132

(3) Wer lieber auf eine herkömmliche Textausgabe zurückgreifen möchte, sei auf  Abaelards „Historia calamitatum“. Text – Übersetzung – literaturwissenschaftliche Modellanalysen (hrsg. von D. N. Hasse, Berlin 2002) verwiesen.

(4) Um Abaelard in seiner Gesamtheit gerecht zu werden, bietet die Ausgabe aber vielfältige Ansatzpunkte in Form von dem lateinischen Text beigegebenen Hintergrundinformationen.

(5) Um dies zu erleichtern, ist der Text in der bei C. C. Buchners vorgelegten Ausgabe bereits in 5 Akte mit Prolog und Epilog aufgeteilt.

(6) Die im Anhang vorgestellten Tafelbilder beziehen sich auf die hier mit T1 - T7 nummerierten Texte.

(7) Bei sowohl sprachlich starken als auch entwicklungspsychologisch reifen Klassen ist auch ein gewinnbringender Einsatz bereits am Ende der 9. Jahrgangsstufe denkbar.

(8) vgl. dazu M. T. Clanchy, Abaelard, 35-36 und 77-79