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                                     Pegasus-Onlinezeitschrift VII/1 (2007), 104

Anhang 3: Drei ausführliche Übersetzungskritiken zu Catulls c. 8


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1. Otto Weinreich

Die Übersetzung der carmina Catulls von Otto Weinreich erschien erstmal 1960 und wurde mehrfach in verschiedenen Verlagen wieder aufgelegt.(1) Seiner Übersetzung ist ein umfangreiches Essay zu Leben, Werk und Nachwirken Catulls beigefügt. Die Erläuterungen darin sind philologisch fundiert und argumentativ eng an den Texten Catulls gestaltet, aber eine ausdrückliche Ausrichtung auf ein altsprachlich gebildetes Publikum ist nicht erkennbar.

Weinreich überschreibt die Übersetzung des Gedichts mit „Liebesende: Schweig und ertrag’s!“ Bei einem ersten Blick auf den Text fällt auf, dass Weinreich nach v. 8 einen Absatz einfügt und damit als einziger der hier ausgewerteten Editoren oder Übersetzer eine strophische Komposition annimmt. Er fügt den Absatz an der Stelle ein, an der die Schilderung der glücklichen Zeit mit der Geliebten endet.

Seine Übertragung ist im Versmaß des Originals gehalten, wobei es dem Übersetzer sogar häufig gelang, die Zäsuren vor allem in den Versen, die sich im Original durch besondere Knappheit und Dramatik auszeichnen, beizubehalten.(2) Bei der Wortwahl und Satzstellung im Deutschen sind keine Auffälligkeiten zu bemerken, obgleich es einige Auslassungen von Hilfsverben wie v. 5 „das du geliebt <hast>“ gibt. Bisweilen wurden aus metrischen Gründen Vokale gestrichen, wie in v. 15 „Unselge“. Einige Wörter klingen für den modernen Leser altertümlich(3), dominieren jedoch den Eindruck der Übersetzung nicht.

Weinreich bemüht sich um die Beibehaltung der Wortstellung(5), entscheidet sich aber im Zweifelsfall stets für eine im Deutschen verständliche Reihung der Worte. Die Nachgestaltung der Stilmittel ist ihm häufig gelungen. So formt er die parallelen Verse 3 und 8 nach, die Alliteration von perisse und perditum in v. 2 wird durch das deutsche Partizip „verlorn“ nachgebildet.(5) Auch die Anapher at tu wurde durch ein „doch du“ in v. 14 und 19 wiederholt. Die Metonymie fulsere candidi soles greift der Übersetzer auf, indem er das Bezeichnete und Gemeinte nacheinander nennt: „dir glänzten Tage, leuchtend gleich Sonnen“. Die Ähnlichkeit der Verben volebas und nolebat wurde geschickt durch „gefielen“ und „mißfielen“ ins Deutsche übertragen, dafür wurde allerdings auf die Bedeutung des Wollens oder Nichtwollens verzichtet und eine Bedeutungseinengung vorgenommen, und puella, wohl aus metrischen Gründen, durch „ihr“ ersetzt. Weinreich benutzt für alle drei auftretenden Formen von obdurare in v. 11, 12 und 19 jeweils „standhaft sein/bleiben“, besonders betont wird dabei in v. 12 obdurat durch einen kursiven Drucktypus: „ist standhaft“.


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Wie gelang Weinreich nun sprachlich im Detail die Übertragung des Gedichtes? Den Pl. in v. 5 verändert der Übersetzer, indem er nobis in die 2. Pers. Sgl. umwandelt, wodurch der Charakter der Selbstanrede verdeutlicht wird. Die Übertragung „Haltloser“ für inpotens stellt eine leichte Bedeutungsverschiebung dar, da auf die ‚Schwäche’ oder ‚Machtlosigkeit’ verzichtet wird, doch trifft die gewählte Übersetzung den Kontext ‚des in seiner Liebe Verlorenen’. Ähnlich ist die Sinnverschiebung durch „mach dich nicht elend“ in v. 10. Hier wird eine futurische Konnotation eingefügt, die nec miser vive nicht zwangsläufig beinhalten muss. Die schwer wörtlich zu übertragende Stelle rogaberis nulla in v. 14 formt er in „fragt nach dir niemand“ um.

Eine Aufweichung des Sinnes stellt „suchen“ für adire dar.(6) In v. 16 wird das Genus verbi von videberis zugunsten des im Deutschen üblicheren Aktivs verändert, das prädikative Adjektiv bella wurde durch einen adverbialen Ausdruck ersetzt. Eine gravierende Sinnverschiebung ist im v. 17. zu bemerken. Dort übersetzt Weinreich cuius esse diceris? mit „Wessen Namen dann führen?“ Diese Formulierung erinnert an den deutschen Brauch, dass die Ehefrau den Namen ihres Mannes trägt – doch handelt es sich bei Catull nicht um einen verheirateten Mann, die von ihm angesprochene Frau war höchstwahrscheinlich zwar verheiratet, aber nicht mit Catull! Falls Weinreich mit seiner Übersetzung inhaltlich etwas meinte wie „Wessen Namen wirst du dann auf den Lippen haben?“, dann hat er die lateinische Konstruktion falsch gedeutet.

Die Übersetzung Weinreichs lässt sich nicht eindeutig der ausgangs- oder zielsprachenorientierten Übersetzungsrichtung zuweisen, obgleich die zielsprachliche Orientierung überwiegt, da der Text sich flüssig liest, was vor allem daran liegt, dass die Wortstellung des Originals nicht immer strikt beibehalten wurde. Daneben betont Weinreich aber die stilistischen Formelemente sehr, ohne dass er dabei häufig gegen die Sinnübertragung handelt.

 

2. Volker Ebersbach

Die im Jahr 1974 erschienene Übersetzung der Gedichte Catulls von Volker Ebersbach wurde im Reclam-Verlag Leipzig in einer einsprachigen Ausgabe verlegt.(7) Sie wurde mit einem Nachwort über Leben und Werk Catulls versehen und enthält auch einen Anmerkungsteil, der allerdings zu c. 8 keine Hinweise bietet. Als Textgrundlagen dienten die Editionen von Kroll und Helm. Im Nachwort finden sich Äußerungen zum Vorgehen des Übersetzers. Das Ziel sei ein leicht lesbarer Text, der den Verscharakter des Originals nicht zerstöre und zugleich der deutschen Sprache keine Gewalt antue.(8) Die metrische Übertragung gelang fließend, auf die Zäsuren wurde nicht geachtet.


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Die Sprache der Übersetzung entspricht der heutigen Sprachnorm, Wendungen wie „Behalt den Kopf klar“ und “Schlappschwanz“ lassen den Text modern erscheinen, gelegentliche Umstellungen in der Wortfolge wie etwa in v. 5 „wie keine wird geliebt werden“ beeinträchtigen das Verständnis und die Lesbarkeit des Textes kaum. Einen direkten Hinweis auf das angestrebte Publikum dieser Übersetzung gibt es nicht.

Die Übertragung von stilistischen Mitteln stand offensichtlich nicht im Mittelpunkt der Überlegungen des Übersetzers, da sie meist eher zufällig und nicht bewusst angestrebt scheinen. Die Alliteration von v. 2 wurde nicht nachgeahmt. Die Metonymie von soles in v. 3 wurde abgemildert, indem „die Sonne glückselig strahlte“; dadurch geht die mitschwingende Bedeutung „Sonnen-Tage“ verloren. Die v. 3 und 8 sind nicht parallel aufgebaut, wenngleich Ebersbach jedes lateinische Wort durch je ein deutsches Wort wiedergibt. Sehr auffällig ist die Einführung eines Enjambement in der Übersetzung der v. 6 und 7, das im Original nicht vorhanden ist. Dieses Stilmittel verwischt die bei c. 8 so charakteristische Versgestaltung, die jede Zeile als eine in sich geschlossene Einheit erscheinen lässt. Dafür wurde die Anapher von v. 14 und 19 wörtlich nachgeformt. Das Wortspiel volebasnolebat in v. 7 wurde nicht nachgeahmt, dagegen wird die Alliteration in v. 11 durch zwei Alliterationen auf „b“ und „h“ aufgenommen. Obdura und obdurat werden mit „hart bleiben“ wiedergegeben. Auffällig ist dabei, dass in v. 19 die Endstellung nicht beibehalten wurde, sondern diese Wortgruppe in die Mitte des Verses rückt. Die Alliteration mit „r“ in v. 13 lässt sich bei den Verben nicht wieder finden, dafür klingt necnec im zweimaligen „dich nicht“ an. Die Formen von rogare in v. 14 und 15 wurden jeweils mit einer Form von „anflehen“ übersetzt.

Wie sieht es mit der sprachlichen und semantischen Umsetzung des Gedichtes aus? Die Übersetzung beginnt mit der Selbstanrede „Catull“. Als Attribut setzte Ebersbach nachgestellt „du Armer“ hinzu. Desinas ineptire gibt er zwar in einer schön klingenden deutschen Wendung „laß doch nicht den Kopf hängen“ wieder, doch trifft diese nicht das Gemeinte: Es geht nämlich im Original nicht um die Mutlosigkeit, Catull möchte sich selbst nicht unbedingt aufmuntern, sondern er will sich selbst auffordern, endlich einer leeren Hoffnung zu entsagen.(9) In v. 2 wurde vom Übersetzer „schon“ eingefügt, eventuell, um den abgeschlossenen Aspekt des Perfekt-Infinitivs wiederzugeben, vielleicht auch aus metrischen Gründen. „Das gib ganz auf“ ist zwar keine wörtliche, aber eine gelungene Übertragung von perditum ducas. V. 4 wurde unter Einfügung der im Deutschen nötigen Artikel und Pronomen wörtlich und auch in der Wortstellung exakt übersetzt. In v. 5 wurde das Partizip amata nobis aktivisch umgeformt und in der gemeinten 1. Pers. Sgl. wiedergegeben. Die Übertragung der zweiten Vershälfte hingegen ist wörtlich und adäquat. Die Übersetzung der v. 6 und 7 ist sehr frei. „Da war das Leben noch vergnüglich“ erscheint als eine allgemeine Umschreibung dessen, was Catull recht deutlich – oder zumindest in der Phantasie des Lesers deutlicher auslegbar - iocosa fiebant nennt.


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Auch „nicht nein sagen“ in v. 7 trifft nur einen Teilaspekt dessen, was „nicht nicht-wollen“ alles beinhalten könnte. Die Übersetzung Ebersbachs benutzt Andeutungen, die andere Assoziationen als die des Originals hervorrufen und die Konnotationen des Originals nicht transportieren. In v. 9 trifft „mag sie nicht mehr“ das Gemeinte sehr gut. Die Einfügung von „Schlappschwanz“ stellt ebenfalls eine deutliche Einschränkung des Originals dar: Die gedankliche Verbindung von inpotens und „Schlappschwanz“ mag zwar schnell hergestellt sein, doch geht bei dieser Übertragung viel von der „Willensstärke“, die das lateinische Wort mit anklingen lässt, beziehungsweise des Unvermögens verloren, stattdessen erscheint ein deutsches Schimpfwort, das sich eher auf einen Schwächling in körperlicher Hinsicht bezieht. Hier erscheint eine Sinnverschiebung ebenso wie in v. 1 deutlich erkennbar. Die zweite Vershälfte ist zwar nicht wörtlich übersetzt, doch hier scheint das Gemeinte angemessener wiedergegeben. In v. 10 verliert die Übertragung „geht sie“ die Schärfe von fugit, wenngleich dies inhaltlich mit gemeint ist. „Laß sie gehen“ ist daran anschließend inhaltlich angemessen, wenngleich durch zweimalige Verwendung von „gehen“ auch im lateinischen Original eine Wortwiederholung vermutet werden könnte. „Und blase nicht Trübsal!“ ist eine Wiedergabe mit Hilfe eines nominalen Ausdrucks, auch hier ist eine leichte Sinnverschiebung nicht von der Hand zu weisen. Der „klare Kopf“ in v. 11 ist eine zwar deutsch elegant klingende Wendung, doch trifft sie das Gemeinte des lateinischen Abl. Abs. nicht genau: Dort spielen Entschlossenheit, Härte, ja gar Widerstand eine große Rolle, nicht in erster Linie ein rationales ‚Aufräumen’. „Jetzt heißt es hart bleiben“ dagegen erscheint als eine zwar nicht wörtliche, aber sinngemäße Übertragung von obdura. Die Einfügung von „du“ in v. 12 verdeutlicht die lateinische Anrede. In v. 13 wird nec te requiret mit „vermißt dich nicht“ stark ausgedeutet, doch trifft es hier wohl das Gemeinte. „Anflehen“ als Übertragung von rogabit ist beinahe zu scharf, da invitam jedoch unübersetzt bleibt, ist die Bedeutung dieses Wortes wohl in eben der Schärfe des Verbes aufgenommen. Die Wortstellung in v. 15 wurde umgekehrt: „Warte, Treulose!“ steht am Ende des Verses. Ein Grund für diese Umstellung ist nicht ersichtlich. „Wer wird noch zu dir gehen“ in v. 16 ist zu farblos übersetzt, und die Fortführung „für den“ unzulässig, da aus dem Original nicht hervorgeht, dass es sich dabei um dieselbe Person handeln muss. Die Wendung cuius esse diceris wurde mit „wessen Liebste dich nennen?“ übersetzt. Die Einfügung von „Liebste“ in diesem Kontext trifft den Inhalt. Doch durch das Hinzusetzen von „dich“ wird die Passivform zu einer 2. Pers. Sgl. aktiv umgebaut: Anstelle der offenen Ausdrucksweise im Lateinischen, die auch das Gerede der Leute einbezieht („für wessen Geliebte wird man dich halten?“), interpretiert die deutsche Übersetzung den Text ausschließlich als Selbstaussage Lesbias.

Bei der Übersetzung von Rudolf Helm handelt es sich um eine zielsprachenorientierte Übersetzung in für heutige Leser „modernes“ Deutsch. Doch bei der Übertragung in gängige deutsche Wendungen bleibt der Inhalt oft auf der Strecke;


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häufig grenzt die Übersetzung die Bedeutung des Originals sehr ein, indem sie bestimmte Deutungsmöglichkeiten herausgreift und die Vielschichtigkeit des Originals übergeht. Gelungen ist die metrische Übertragung, denn nie klingt der Wortlaut so, als sei er ‚mit Gewalt’ ins Versmaß gepresst worden.

 

3. Michael v. Albrecht

Bei der Übertragung der Catull-Gedichte von Michael v. Albrecht handelt es sich um eine Prosaübersetzung. Sie ist als zweisprachige Ausgabe im Reclam-Verlag erschienen und will ein sehr breites Publikum erreichen: Ein umfangreicher Anmerkungsapparat erklärt einerseits viele Details auch für Leser, die mit den Besonderheiten der lateinischen Sprache und Kultur nicht besonders vertraut sind, doch gibt es ebenso zahlreiche Hinweise, die nur für ein philologisch gebildetes Publikum nützlich sind, wie zum Beispiel Erläuterungen zur Textedition und eine umfangreiche Bibliographie.(10)

Die Übertragung v. Albrechts wurde in modernem, zeitgemäßem Deutsch verfasst. Dennoch erscheint die Sprache nicht wie die einer ‚normalen’ Prosa, sondern sie behält einen lyrischen Klang. Dies hat seine Ursache unter anderem darin, dass die Sätze relativ kurz sind, und – entsprechend ihrer originalen Vorlagen – durch zahlreiche Einschübe nicht ruhig fließen. In diesen Einschüben wird die Satzführung Catulls nachgeahmt. Der Fließtext allerdings verhindert optische Assoziationen mit einem Gedicht. Es fällt auf, dass der deutsche Text länger als der lateinische ist.

Eine stilistische Analyse dieses Textes vorzunehmen, ist aus einem ganz praktischen Grund schwieriger, als bei Gedichten, die gemäß der Versabfolge übertragen und gedruckt wurden: Der Fließtext erschwert eine schnelle optische Orientierung.(11) Durch die meist vollständige Ausformulierung in der Prosa-Übersetzung v. Albrechts ist der Text auch nicht mehr so dicht, wie sein Original oder wie viele andere Übersetzungen in Versform. Dennoch lässt sich beobachten, dass gerade diese Art der Übersetzung eine Nachahmung des Originals in besonderer Weise erleichtert. Die Wortstellung in der deutschen Übersetzung kann frei von metrischem Zwang dem Original folgen. Die Übersetzung v. Albrechts tut dies meist soweit, wie die Sprachnormen eines deutschen Satzes es zulassen.(12) Vor allem an besonders betonten Stellen wie den Versanfängen von v. 1 und 19 übertrug v. Albrecht die Worte eins zu eins, die Versanfänge von v. 14 und 19 stehen auch in der deutschen Sprache als Anapher. Der Parallelismus von v. 3 und 8 wurde nicht ganz genau nachgeformt. Zwar wird Wort für Wort übersetzt, in v. 3 jedoch rückt die Entsprechung von quondam an den Satzanfang, in v. 8 taucht vere durch „damals … wahrhaft“ an erster und dritter Stelle im Satz auf. Damit wird die von Catull benutzte Anapher aufgehoben. Nicht genau mit derselben Wendung übertragen wurden die Flexionen von obdurare in v. 11, 12 und 19:


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Nur die beiden Imperativformen des Verbs stimmen mit „bleibe hart“ überein; in v. 12 erscheint obdurat als „wappnet sich mit Festigkeit“. Damit wird allerdings der „feste Sinn“, die Übersetzung von obstinata mente aus dem vorherigen Vers wieder aufgenommen. Mit dem gleichen Verb wurden die jeweiligen Formen von rogare in v. 13 und 14 übersetzt.
Wie angemessen sind die Übertragungen v. Albrechts in sprachlicher und semantischer Sicht? Vor allem die Einfügungen und Zusätze sind bei der vorliegenden Übersetzung aufschlussreich. So muss bei v. 2 ein „das“ eingefügt werden, um einen vollständigen deutschen Relativsatz zu erhalten. In v. 4 ergänzte v. Albrecht „dein“. Dies wäre nicht nötig, um den Kontext zu verstehen, ja es deutet sogar aus, denn erinnert sich Catull in diesem Vers an die Zeit, in dem es sich um „sein Mädchen“ handelte – dennoch hat er diese Bezeichnung eben nicht in sein Gedicht eingefügt. Die Übersetzung von ducebat mit „dich kommen ließ“ stellt eine richtige Deutung dar. Bei der Übersetzung von v. 5 behält v. Albrecht nobis mit „von uns“ wörtlich bei.(13) Die Einfügung von „je“ im selben Vers führt zu einer zeitlichen Einschränkung, die in quantum amabitur nulla nicht notwendigerweise enthalten sein muss. Die Einfügung von „damals“ in v. 8 gibt der Übersetzung eine zeitliche Eingrenzung, die so deutlich nicht im Original steht. Zumindest würde man ein Imperfekt mit durativem Nebenaspekt bei dieser Übersetzung vermuten. Dieser steht aber in den vorherigen v. 4-7, somit soll „damals“ vielleicht die Erinnerungen an die Vergangenheit abschließen. Interessant ist die ausführliche Übersetzung von inpotens mit „(brächtest du es nur fertig!)“, ein Einschub, der die knappe Partizipialformulierung in eine irreale Selbstaufforderung umformt und damit zugleich eine Deutung des Übersetzers offenbart: v. Albrecht fasst das lateinische Gedicht so auf, dass Catull nicht fest davon überzeugt ist, dass ihm die Aufgabe seines Werbens gelingen wird. Mit dieser Deutung geht er sehr weit – möglich ist sie und auch aufgrund der ständigen Selbstaufmunterungen Catulls und der Resignation, die aus seinen Worten hervorklingen, nicht unwahrscheinlich. In v. 11 ergänzte v. Albrecht ein „und“ um die Imperative nicht unverbunden aneinander zu reihen. In v. 19 wurde das Partizip destinatus zu „sei entschlossen“, unmittelbar gefolgt von „bleibe hart“ für obdura. In v. 14 wurde rogaberis nulla mit „gar nicht mehr umworben“ übersetzt – erneut wird hier von v. Albrecht eine zeitliche Eingrenzung vorgenommen, die nicht unbedingt im Original zu finden ist, denn für ein endgültiges Ende der Umwerbungen lassen sich keine Hinweise finden. Die Wiedergabe von adibit mit „bemühen“ in v. 16 erscheint ein wenig zu schwach, wohingegen die zweite Hälfte von v. 17 mit „wessen Liebste heißen“ inhaltlich gut erfasst wurde.

Obgleich eine Prosafassung die Poetik des Originals verwischt, weil sie weniger dicht aufgebaut ist und stärker interpretierend ausformuliert wird, ist die Übersetzung v. Albrechts gelungen. Eine diskussionswürdige Deutung nimmt er bei der Übersetzung von inpotens vor. Er orientiert sich stark an der Ausgangssprache. Auch indem keine Rücksicht auf literarische Formen genommen wird, erscheint die Übersetzung als eine Brücke zum Original.



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(1) Zwei dieser Ausgaben wurden für diese Arbeit benutzt: Weinreich, 1960 (s. o., S. 38, Anm. 170) und Catull. Sämtliche Gedichte, Lat./Dts., hg., eingeleitet und übers. von Otto Weinreich, Zürich/Stuttgart 1969 (Erstdruck 1960).

(2) Gemeint sind die v. 11-12 und 15-19.

(3) Wie etwa v. 13 „abhold“ oder v. 15 „welch ein Leben harrt deiner?“.

(4) Dies ist ihm beispielsweise in v. 7 sehr gut gelungen.

(5) Nicht nachgeahmt werden aber die Alliterationen in v. 11 und 13.

(6) Adire bezeichnet Syndikus, S. 111, als zum „Vokabular der Liebessprache“ gehörig, das hier „im erotischen Sinne“ auftaucht.

(7) C. Valerius Catullus, Gedichte, übers. von V. Ebersbach, Leipzig 1974.

(8) Ders., S. 197.

(9) Fordyce, S. 111 schlägt als englische Übersetzung: „you must stop being silly“ vor.

(10) Der lateinische Text folgt, wie v. Albrecht erläutert, keiner bestimmten Ausgabe, sondern wurde von ihm unter Verwendung zahlreicher Editionen und mit Angabe von Varianten im Anmerkungsteil des Buches selbst neu zusammengestellt.

(11) Wenn im Folgenden Verszahlen zur Stellenangabe benutzt werden, ist damit nicht die Zeilenangabe der Prosa-Übersetzung gemeint, sondern die Verszeile im Original.

(12) So wurde bei der Übersetzung von v. 10 „die entflieht“ nachgestellt, um den deutschen Satzfluss nicht durch einen Einschub zu unterbrechen, der möglich gewesen wäre. Die v. 4 und 5 dagegen wurden exakt nachgebaut und lediglich durch einzelne Füllwörter ergänzt.

(13) Allerdings fügt er im Anhang, S. 172, Nr. 8, Anm. 2, als Erklärung hinzu: „D. h. ‚von mir’ (wegen der Selbstan­rede wurde der Plural auch im Deutschen beibehalten).“