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                                     Pegasus-Onlinezeitschrift VIII/2 (2008), 26
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Jessica Ott

Besser Übersetzen durch Selbstevaluation? –
Eine Studie zur Förderung des eigenverantwortlichen Lernens im Lateinunterricht der Jahrgangsstufe 7

- Habt ihr die Übung verstanden oder sollen wir noch ein Beispiel zusammen machen?
- Wir machen am besten alle Beispiele zusammen!
- Sie machen alle Beispiele, und wir schreiben einfach ab – das geht doch am schnellsten!

 

1. Einleitung: Lateinunterricht und neue Methoden

Das traditionsreichste Unterrichtsfach moderner europäischer Bildungskultur, das Fach Latein, sieht sich immer wieder mit einer Vielzahl neuer Methoden konfrontiert. 1000 neue Methoden oder Innovative Methoden für den Lateinunterricht lauten Titel allgemeindidaktischer oder fachspezifischer Methodenhandbücher, die im Jahr 2007 erschienen sind.(1) Um auch im 21. Jahrhundert die Position des Schulfachs Latein zu behaupten, muss die lateinische Fachdidaktik sich der Flut neuer Methoden und Unterrichtsansätze einerseits öffnen, andererseits ihren fachspezifischen Nutzen genau prüfen.

Unter dem Begriff „Methode“ werden viele grundsätzlich verschiedene Vorgehensweisen im Unterricht zusammengefasst.(2) In dieser Studie spielen Methoden zweifach eine Rolle: Erstens wird die Selbstevaluation, die der zentrale Untersuchungsgegenstand ist, und die die Gestaltung der Unterrichtsreihe(3) bestimmt, als Methode bezeichnet. Zweitens wird die Rede sein von methodischem Wissen im Sinne von strategischem Wissen, das in den Freilernmaterialien enthalten ist, wie z.B. Strategien zum Vokabellernen oder Übersetzungsstrategien.

Trotz der Bedeutung, die Methoden in dieser Studie einnehmen, sei betont, dass sie immer dienende Funktion haben und den Unterrichtsinhalten untergeordnet sein müssen. Deshalb wird die Selbstevaluation in Verbindung gebracht mit einem zentralen Ziel des Lateinunterrichts, dem Erwerb der Übersetzungskompetenz. Allerdings gibt es keinen Unterricht ohne Methode. Daher sollte die Auswahl, gerade in Anbetracht der Fülle innovativer Methoden, umso reflektierter geschehen, der Nutzen einzelner Methoden kritisch hinterfragt werden, um dann zu entscheiden, ob sie für das Erlernen der lateinischen Sprache sinnvoll sind.


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In aller Munde sind gerade Begriffe wie Diagnostizieren, Evaluieren, Fördern, Kompetenzorientierung und Portfolio. Die Selbstevaluation steht mit allen diesen Begriffen in enger Verbindung und hat bereits seit einigen Jahren ihren festen Platz in vielen anderen Fächern,(4) während sie in der Lateindidaktik erst langsam ankommt.(5)

Die neuere Generation der Lehrwerke für Latein verzichtet jedoch im Unterschied zu denen für moderne Fremdsprachen nach wie vor auf eine Anleitung zur Selbstevaluation. In Lehrwerken für Französisch und Englisch beispielsweise ist die Selbstevaluation fest integriert.(6) Hier finden sich in regelmäßigen Abständen meist im Arbeitsheft sowohl Übungen zur Selbstkontrolle als auch kompetenzorientierte Selbstevaluationen. Im Arbeitsheft zum neuen Französischlehrwerk Découvertes wird nach jeder Lektion eine „Auto-contrôle“-Übung angeboten, in der der Unterrichtsstoff selbstständig überprüft werden kann, und nach jeweils drei Lektionen eine „Auto-évaluation“, in der die SuS(7) zur eigenständigen Reflexion darüber veranlasst werden, wie gut sie den zu lernenden Stoff beherrschen. In Lateinlehrwerken gibt es die Selbstüberprüfung bisher nur im Ansatz. Als Beispiel sei das neue Lehrbuch Salvete angeführt, das in seinem Arbeitsheft nach jeweils 3-7 Lektionen ein Übungsblock mit dem Titel „Teste, was du schon kannst“ anbietet.(8) Es stehen jedoch weder Lösungen zur selbstständigen Kontrolle(9) noch eine Beurteilung der Ergebnisse zur Verfügung, aus der die SuS ihre Stärken und Schwächen ersehen können. Stattdessen heißt die Beurteilung des Überprüfungstests: „26-22 Punkte: Du hast den bisherigen Stoff gut gelernt. 21-17 Punkte: Du weißt schon so einiges, kannst dich aber noch verbessern. 16 Punkte und weniger: Du musst den Stoff der Lektionen 1-3 noch einmal wiederholen.“(10) Diese Beurteilung hilft dem Schüler im konkreten Fall wenig weiter. Was kann er bereits, und wo soll er mit der Wiederholung beginnen? Dennoch scheint es mir sinnvoll, dass Salvete die Möglichkeit einer Wiederholung bietet. Der Titel „Teste, was du schon kannst“ suggeriert zudem Eigenständigkeit und Kompetenzorientierung, die jedoch tatsächlich erst mit der Unterstützung der Lehrkraft realisiert werden können, wenn diese Lösungen bereitstellt und den Schüler bei der Bestimmung von Stärken und Schwächen berät.

Festzuhalten bleibt, dass eine Diskrepanz zwischen den Lehrwerken für Latein und denen für moderne Sprachen besteht, und dass Selbstevaluation in der Praxis des Lateinunterrichts ein Desiderat ist. Die von mir im Dezember 2007 durchgeführte Studie will daher untersuchen, ob die offenbar von der Didaktik der modernen Fremdsprachen und weiterer Fächer anerkannte Methode der Selbstevaluation dazu dienen kann, die SuS in der zentralen Kompetenz des Unterrichtsfachs Latein, dem Übersetzen lateinischer Texte ins Deutsche, zu stärken, indem sie die SuS zu selbstständigerem Arbeiten anhält.


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Dafür wurden für eine 7. Klasse im zweiten Lernjahr Latein ein Selbstevaluationsbogen, ein Lerntagebuch und mehrere Freilernmaterialien entworfen, im Unterricht erprobt und durch die SuS evaluiert. Zunächst sollen die Ziele der Selbstevaluation theoretisch beleuchtet werden. Dann wird das verwendete Material (Selbstevaluationsbogen, Lerntagebuch und exemplarisch ein Übungsblatt, das den SuS in der Freiarbeit zur Verfügung stand) unter didaktischen Gesichtspunkten analysiert. Im darauffolgenden Kapitel wird beschrieben, wie die SuS innerhalb der Reihe mit diesen Materialien selbstständig arbeiteten. Abschließend wird die Selbstevaluation im Lateinunterricht, unter anderem mit Hilfe von Schülerbewertungen zur Reihe, zusammenfassend beurteilt.

 

2. Theoretische Vorüberlegungen

2.1 Selbstevaluation und Portfolio

Ich habe im Lateinunterricht der Jahrgangsstufe 7 (zweites Lernjahr) mit den SuS eine kompetenzorientierte Selbstevaluation zur Übersetzungsfähigkeit durchgeführt. Diese war Grundlage für mehrere (nicht aufeinander folgende) Stunden Freiarbeit. Die SuS haben während der freien Arbeitszeit ein Lerntagebuch geführt und abschließend den Selbstevaluationsbogen, die Freiarbeitsmaterialien und das Lerntagebuch bewertet.

Alle diese Maßnahmen könnten mit dem Begriff „Portfolio“ umschrieben werden.(11) Zu unterscheiden sind im pädagogischen Bereich prinzipiell drei verschiedene Typen von Portfolios: Zum einen gibt es Produktportfolios, die eine Sammlung ausgewählter Ergebnisse enthalten, wie z.B. Endprodukte einer Projektarbeit. Zweitens gibt es Prozessportfolios, die den Lernprozess dokumentieren, und in denen der Lerner sich selbst reflektierend seine Arbeit einschätzt. Noch einmal davon zu unterscheiden sind standardisierte Portfolios, die den Lernern nach festgelegten Kriterien bescheinigen, auf welchem Niveau sie sich befinden (wie z.B. der Europass des Europäischen Sprachenportfolios(12)). In allen Fällen steht dahinter die Idee, dass die einzelnen Dokumente in einer Mappe zusammengefügt werden. Während der anfangs ausgeteilte Selbstevaluationsbogen eher einem standardisierten Portfolio entspricht, das den SuS Kompetenzen bescheinigt, ergibt die Sammlung der einzelnen Lerntagebuch-Blätter ein Prozessportfolio, in dem sich durch Selbstreflexion ein Lernprozess manifestiert. In diesem Sinne könnte die von mir durchgeführte Unterrichtsreihe auch als „Einführung in die Portfolio-Arbeit“ bezeichnet werden. Ich halte jedoch den Begriff der Selbstevaluation insbesondere wegen der Vielzahl der Portfoliobegriffe für aussagekräftiger.


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2.2 Ziele der Selbstevaluation

Da das Portfoliokonzept und die Selbstevaluation sich aus der pädagogischen Praxis entwickelt haben, gibt es nur wenige Untersuchungen, die sie theoretisch und lernpsychologisch fundieren.(13) Einige wichtige Ziele, die die Selbstevaluation anstrebt, sind jedoch offenkundig. Dazu gehören die Förderung eigenverantwortlichen Lernens, der Erwerb metakognitiver Kompetenzen, die Hinführung zu Lebenslangem Lernen, die Steigerung der intrinsischen Motivation und die Berücksichtigung der Heterogenität der SuS bzw. die Möglichkeit individualisierten Lernens. Auf diese Punkte, die in der Studie besonders beobachtet werden, soll im Folgenden eingegangen werden.

Die Durchführung der Selbstevaluation in Verbindung mit der Bereitstellung von Freilernmaterialien unterstützt das eigenverantwortliche Lernen. Eigenverantwortliches Lernen bedeutet, wenn es konsequent umgesetzt wird, eine grundsätzliche Veränderung des traditionellen Unterrichts. Die SuS müssen ihre „passive Rolle des Konsumenten“(14) verlassen und Eigeninitiative ergreifen. Sie tragen eine hohe Mitverantwortung an dem Lerninhalt und ihrem Lerntempo. Der Lehrer muss seine dominante Position aufgeben und den SuS das eigenverantwortliche Lernen ermöglichen. Ihm kommt die Rolle des Beraters und Mentors zu. Er ist nicht mehr dafür verantwortlich, ob ein Schüler etwas gelernt hat. Diese Verantwortung trägt der Schüler selbst. Der Lehrer ist stattdessen dafür verantwortlich, die geeigneten Voraussetzungen zu schaffen. Entscheidend ist meiner Ansicht nach die Frage, wie ihm das am besten gelingt. Eine Umstellung zu individualisiertem, eigenverantwortlichem Arbeiten wird seit langem gefordert und kann auf vielfache Weise verwirklicht werden. Alle schüleraktivierenden und handlungsorientierten Methoden zielen darauf ab. Die Methode der Selbstevaluation und das Lerntagebuch unterstützen Lerner und Schüler bei der Umsetzung des eigenverantwortlichen Arbeitens wesentlich, weil sie Struktur geben und die SuS dazu veranlassen, sich selbstständig Ziele zu setzen.(15)

Dabei ist selbstverständlich festzuhalten, dass sich der Lateinunterricht nicht vollständig auf individualisierten Unterricht umstellen kann, so dass etwa ausschließlich eigenverantwortlich gearbeitet würde. Das liegt schon allein darin begründet, dass es feststehende Ziele gibt, die von allen zu erreichen sind,(16) und dass individuelles Lernen nicht „in völlige Aufsplitterung und Vereinzelung von Lernprozessen münden“(17) darf, sondern soziales Lernen ebenso seinen Platz hat.


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Auch das Alter der SuS dieser Studie (11-13 Jahre) lässt keine vollkommene Eigenverantwortung zu. Zur Wiederholung, Übung oder zeitweisen Binnendifferenzierung ist eigenständiges Arbeiten im Lateinunterricht jedoch sehr wertvoll. Die Selbstevaluation ist sinnvoll in regelmäßigen Abständen (ein bis zwei Mal pro Halbjahr) einzusetzen, wie es die Lehrwerke moderner Fremdsprachen ebenfalls vorschlagen. Sie dient der Überprüfung und Aufarbeitung gemeinsam erarbeiteten Unterrichtsstoffs. Sie tangiert zunächst nicht die Form des täglichen Unterrichts, ist jedoch dann besonders sinnvoll, wenn die SuS im Anschluss daran die Möglichkeit erhalten, eigenverantwortlich zu arbeiten.

Metakognitive Kompetenzen erlauben es den SuS, über ihr eigenes Lernen zu reflektieren. Nur wer das kann, ist in der Lage, auf sein eigenes Vorgehen beim Lernen Einfluss zu nehmen und es zu verbessern. Nicht alle SuS eignen sich solche metakognitiven Kompetenzen von selbst an, vielmehr kann man sie erwerben und durch Übung verbessern. Das zeigen die Erfahrungen von Pfeifer und Kriebel, deren Lerngruppe wiederholt ein Portfolio erstellte, wobei die SuS zunehmend deutlicher ihre Stärken und Schwächen erkannten und diese immer klarer formulierten.(18) Als Kriterium zunehmender Verbesserung der Lernkompetenz nennen Paradies, Linser und Greving die Selbstständigkeit des Lernens.(19) In ihrem Lernkompetenzstufenmodell ist die zweithöchste Stufe erreicht, wenn ein Schüler seinen Lernprozess selbst steuern kann, die höchste Stufe, wenn er sein eigenes Lernhandeln kritisch reflektieren kann. Das Vermitteln und Einüben metakognitiver Kompetenzen ist also wichtig, damit ein Schüler sein Lernhandeln verbessern kann.

Es leuchtet ein, dass es sich bei den metakognitiven Kompetenzen um Fähigkeiten handelt, die auf alle Lernsituationen übertragbar sind und somit das Lebenslange Lernen unterstützen. Bei der Förderung der Selbstständigkeit zur Vorbereitung auf das Lebenslange Lernen handelt es sich um ein Ziel, das breite Unterstützung findet, weil es mittlerweile für die Arbeitswelt unabdingbar geworden ist. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert (u.a. in Zusammenarbeit mit der OECD) mehrere Studien zum Lebenslangen Lernen.(20) Paradies, Linser und Greving nennen „die Förderung der Schüler durch die Forderung selbst zu denken“ in Anlehnung an Schopenhauer eines der wichtigsten erzieherischen Anliegen.(21) Und Gerhard Ziener betont, Bildung solle „nachhaltig“ sein, d.h., das gelernte Wissen müsse übertragbar sein, so dass die Erträge der Bildung nachwirkten.(22) Nicht nur im aktuellen Bildungsdiskurs um Kompetenzen und Standards, sondern auch in Klafkis Darstellung klassischer Bildungstheorien ist Selbstbestimmung und Autonomie das grundlegende erste Moment der Bildung.(23) Der Lateinunterricht kann die Einstellung der Schüler zum Lernen beeinflussen, und ihnen Lernstrategien und –techniken vermitteln, die sie befähigen, ihr eigenes Handeln zu überdenken, um, wie es Klafki formuliert, „eigenständig urteilen und handeln“ zu können.


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In diesem Sinne kann der Erwerb metakognitiver Kompetenzen, der durch die Selbstevaluation gefördert wird, die SuS zu Lebenslangem Lernen qualifizieren. Die im Lateinunterricht erlernten Fähigkeiten beeinflussen damit nicht nur das Lateinlernen selbst, sondern veranlassen die SuS zur Selbstständigkeit in allen Lernsituationen.

Darüber hinaus erhöht das Übernehmen eigener Verantwortung die intrinsische Motivation für das Lernen. Die SuS, die den Selbstevaluationsbogen ausgefüllt haben, können selbst kompetent entscheiden, an welchem Thema sie arbeiten. Sie wissen, für welches (selbst gesteckte) Ziel sie lernen. Der Sinn der gewählten Aufgabe ist ihnen klar. Das führt zu einem Arbeitsverhalten, das sich deutlich von dem im alltäglichen Unterricht unterscheidet, in dem der Lehrer vorgibt, welche Aufgaben zu erledigen sind.(24) Außerdem bedeutet selbstverantwortliches Lernen immer auch Schüleraktivität. Aktiv erworbenes Wissen wird, wie die konstruktivistische Lernpsychologie herausgefunden hat und wie neueste neurobiologische Erkenntnisse bestätigen, besser behalten als rezeptiv erworbene Informationen.(25) Hinzu kommt, dass die Steigerung der intrinsischen Motivation nicht nur wichtig für die positive Einstellung der SuS zum Unterricht ist, sondern auch für die tatsächliche Verbesserung ihrer Leistung:(26)

 

Gelernt wird nicht nur am besten, wenn damit eine Aktivität des Lernenden verbunden ist, sondern wenn diese Aktivität auch Spaß macht. Denn dieses Wohlbefinden setzt Botenstoffe frei, ohne deren Vorhandensein und Wirkung nichts gelernt werden kann, weil die elektrochemischen Impulse als Träger der Information nicht weitergegeben werden.

Das bedeutet, dass es für den Erfolg des Unterrichts nicht zu unterschätzen ist, mit welcher Einstellung die SuS an die Arbeit gehen. Dieser Befund spricht für den Einsatz der Selbstevaluation, weil zum einen wechselnde Methoden, zum anderen die erhöhte Selbstständigkeit und Schüleraktivität dazu beitragen, die intrinsische Motivation der SuS zu erhöhen.

Als Letztes sei hier das individualisierte Lernen als ein entscheidender Vorteil der Selbstevaluation genannt. Jede Lerngruppe ist heterogen, und bei einem Lernen im Gleichschritt werden nie alle SuS ausgehend von ihrem derzeitigen Lernstand und entsprechend ihrer Möglichkeiten gefördert. Die Reihe berücksichtigt nicht nur die Heterogenität der SuS, sondern sie ist darauf ausgelegt. Der Evaluationsbogen wird von jedem Schüler und jeder Schülerin selbstständig ausgefüllt. Die Ergebnisse sind in jeder Hinsicht individuell. Sie bilden die Basis für die sich anschließende freie Arbeit. In dieser Zeit hat jeder Schüler die Möglichkeit, sich seinem Lernstand entsprechend neue Kenntnisse anzueignen und zwar aufbauend auf dem Wissen, das er bereits hat.(27) Die SuS haben die Möglichkeit, aus den angebotenen Freilernmaterialien, ihrem Bedarf entsprechend, ein oder mehrere Arbeitsblätter auszuwählen. Der Schritt der Materialauswahl ist dabei meiner Ansicht nach sehr wichtig. Die Lehrkraft sollte hier gegebenenfalls beratend tätig werden. Dann ist eine optimale Förderung möglich.


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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Selbstevaluation das Ziel verfolgt, dass die SuS mehr Eigenverantwortung für ihr Lernen übernehmen, dadurch individualisiert, intrinsisch motiviert und mit zunehmender Selbstkompetenz lernen, so dass sie mit größerer Eigenverantwortung ihre Lateinkenntnisse verbessern können und dadurch außerdem auf das allgemeine Ziel des Lebenslangen Lernens vorbereitet werden.

 

3. Didaktisch-methodische Überlegungen zur Unterrichtsreihe

Bei der Lerngruppe, in der die Studie durchgeführt wurde, handelt es sich um einen Lateinkurs der Jahrgangsstufe 7 mit 30 SuS, die Latein als zweite Fremdsprache (gymnasialer Bildungsgang G8) lernen. Die Schüler waren zum Zeitpunkt der Untersuchung im ersten Halbjahr des zweiten Lernjahres.

Grundlage des Unterrichts ist das Lehrwerk Felix - Ausgabe A.(28) Dem zuerst 1995 erschienenen Lehrbuch liegt das Prinzip der Raffung des Unterrichtsstoffs zu Grunde.(29) Erscheinungsjahr und Schlichtheit der Ausführung bedingen, dass in diesem Lehrwerk Methodenlernen und Lernstrategien keinen Platz finden.(30) Für den heutigen Lateinunterricht ist jedoch die Mitaufnahme methodischer Verfahren wesentlich. Die methodische Arbeit (auf jeder Ebene) muss also von der Lehrkraft geleistet werden.

Eine Selbstevaluation zur Überprüfung und Verbesserung der Übersetzungskompetenz bietet sich in der ersten Hälfte des zweiten Lernjahres aus mehreren Gründen an. Zunächst einmal ist das Übersetzen „das zentrale fachspezifische Verfahren der Auseinandersetzung mit lateinischen Texten im Lateinunterricht“,(31) laut hessischem Lehrplan ist es die „für den Lateinunterricht charakteristische Arbeitsweise“.(32) Im Laufe eines Jahres hat sich der Lernstoff auf einen solchen Umfang erweitert, dass manch eine Schülerin oder manch ein Schüler den Überblick verloren hat, welches Wissen alles für eine gute Übersetzungsfähigkeit notwendig ist. Einige Formen, die vor längerer Zeit gelernt wurden, sind nicht mehr präsent. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, den SuS zu diesem Zeitpunkt die Gelegenheit zur Wiederholung grundlegender grammatischer Themen zu geben.


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Auch das Übersetzen selbst wird komplexer und methodisches Wissen über das richtige Vorgehen beim Übersetzen immer wichtiger. Auch wenn das Übersetzen, die dafür notwendigen Kompetenzen und unterschiedliche Strategien immer wieder Thema im Unterricht sind, ist doch zu beobachten, dass gerade schwächere SuS, dieses Wissen nicht aktiv nutzen. Während sich am Anfang des Lateinunterrichts die Bedeutung der Sätze beinahe von selbst erschließt, und die SuS es „geradezu lächerlich [finden], wenn man sie in einem Zweiwortsatz das Subjekt und das Prädikat bestimmen läßt, […] führt der Versuch, das Gemeinte rasch zu erfassen [bei komplexeren Sätzen], immer öfter zu Fehlern.“(33) Andere Lehrwerke, die methodische Verfahren aufgenommen haben, führen die ersten Methodenseiten zum Übersetzen ungefähr nach dem ersten Lernjahr ein.(34) Deswegen bietet es sich auch für diese Lerngruppe zu diesem Zeitpunkt an, die Kernkompetenz des Lateinunterrichts, das Übersetzen lateinischer Texte, in den Fokus zu rücken, die SuS zu einer Selbsteinschätzung zu veranlassen und ihnen anschließend die Möglichkeit zu geben, ihr Wissen zu vervollständigen.

Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass es hier ausschließlich um den Verstehensprozess, das Dekodieren, oder, wie Manfred Fuhrmann sagt, „die Infrastruktur der eigentlichen Übersetzungsarbeit“(35) geht. Die wichtige Kompetenz des Rekodierens stellt ein anderes Übungsfeld dar, das an dieser Stelle nicht sinnvoll gleichzeitig geübt werden kann.

 

3.1 Die Selbstevaluation

Evaluieren heißt, den Ist-Zustand mit dem Soll-Zustand zu vergleichen.(36) Die von mir durchgeführte Evaluation(37) vergleicht demnach den derzeitigen Lernstand der SuS mit dem Anforderungsprofil für die Jahrgangsstufe 7 (G8) im Fach Latein im Bereich der Übersetzungsfähigkeit. Dafür werden die für die Übersetzung zentralen Kenntnisse und Fähigkeiten in Form von Kompetenzen(38) formuliert. Ideal (aber nicht realistisch) wäre es, wenn die SuS alle aufgeführten Kompetenzen sehr gut beherrschten. Die aus der Kompetenzorientierung resultierenden positiven Formulierungen „ich weiß…“, „ich kenne“, „ich erkenne“, „ich kann“ usw. bringen grundsätzlich den Vorteil mit sich, dass die SuS die geforderten Fähigkeiten erstens unmittelbar auf sich selbst beziehen und zweitens als ein für sie selbst erstrebenswertes Ziel betrachten.

Das Besondere der Evaluation innerhalb dieser Unterrichtsreihe ist nun, dass sie von den SuS vollkommen selbstständig durchgeführt wurde. Die SuS wissen selbst um ihre Stärken und Schwächen. Der Evaluationsbogen hilft ihnen, sich dieser bewusst zu werden, sie genauer zu identifizieren und zu differenzieren. Damit sich die SuS der Jahrgangsstufe 7 mit den Aussagen auf diesem Bogen identifizieren können, habe ich die Kompetenzen und Beurteilungen möglichst schülernah formuliert.


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Ein wesentliches Kennzeichen der Selbstevaluation ist, dass sie als pädagogisches Diagnoseinstrument unbewertet ist. Es handelt sich um eine Einschätzung von Stärken und Schwächen, die nicht der Beurteilung, sondern der genauen Diagnose und der anschließenden individuellen Förderung dient. Ihr Ziel ist es, den SuS die Chance zu geben, ihre Schwächen zu erkennen und auszubessern. Dafür ist es unbedingt erforderlich, dass die SuS sich ehrlich einschätzen. Nur so können sie den Evaluationsbogen in der sich anschließenden Freiarbeit sinnvoll nutzen. Die Forderung nach einem bewertungsfreien Raum ist im Allgemeinen mit Offenem Unterricht untrennbar verbunden.(39) Den Ideen der Reformpädagogik, aus der sich die meisten Formen Offenen Unterrichts entwickelt haben, ist die Leistungsbewertung grundsätzlich entgegengesetzt, daher wurde sie lange Zeit in der Literatur zu offenen Unterrichtsformen überhaupt nicht diskutiert.(40) Grundsätzlich halte ich eine Bewertung hinsichtlich des Arbeits- und Sozialverhaltens während der Freiarbeit für sinnvoll. In diesem Fall sollte jedoch die gesamte Unterrichtsreihe unbewertet sein, da die SuS außerdem dazu angehalten wurden, ihr Arbeitsverhalten zu reflektieren. Hier wären andernfalls weniger selbstkritische und offene Ergebnisse zu erwarten gewesen, als dies tatsächlich der Fall war.(41)

Der Evaluationsbogen ist folgendermaßen aufgebaut:(42) Nach einer kurzen schriftlichen Begründung, was zu tun ist, folgt eine Erklärung der Beurteilungssymbole, anhand derer die SuS sich einschätzen sollen. Den Hauptteil bildet der eigentliche Evaluationsbogen, der in drei Spalten untergliedert ist. In der linken Spalte befinden sich 13 kompetenzorientierte Deskriptoren, die den derzeitigen optimalen Lernstand der SuS benennen. Durch die Unterteilung der Übersetzungskompetenz in diese 13 Teilkompetenzen ist eine recht genaue Diagnose der Stärken und Schwächen eines Schülers möglich.(43) In der mittleren Spalte führen die SuS die Beurteilung durch, und in der rechten können sie eintragen, ob sie Übungsmaterial benötigen. Abschließend sollen die SuS nochmals einen Bereich nennen, in dem sie mit ihrer Leistung zufrieden sind, und einen, in dem sie sich auf jeden Fall verbessern wollen.

Die linke Spalte beschreibt die Fähigkeiten, die die SuS zur Zeit haben sollten, in möglichst einfachen Formulierungen, um das Verständnis bei den SuS zu gewährleisten. Teilweise wurden zur Verdeutlichung der Fachtermini Beispiele ergänzt (Bereiche 4-7 und 10). Zu Beginn der Reihe befand sich die Lerngruppe auf dem Lernstand von Lektion 23. An rein grammatischem Wissen wurde bisher durchgenommen:


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Die Lektionen 24 und 25, die während der Durchführung der Reihe bearbeitet wurden, ergänzen die Deklination der Adjektive(44) und der Substantive.(45) Die bekannten grammatischen Themen wurden durch die Bereiche Wortschatz, Textvorerschließung und Übersetzungsmethodik ergänzt.

In der mittleren Spalte des Evaluationsbogens haben die SuS die Möglichkeit, fünf verschiedene Stufen der Kompetenz auszuwählen, deren höchste das sichere Beherrschen dieser Fähigkeit oder Fertigkeit ist. Damit kommt der Evaluationsbogen der Forderung nach einer Abstufung von Kompetenzen nach.(46) Der Schüler hat also die Möglichkeit, sich hier auf einer Skala von ++ bis - - (auf insgesamt fünf möglichen Stufen) einzuordnen. So kann er sich bewusst machen, wie viel Arbeit in diesem Bereich noch zu leisten ist. Er kann außerdem bei wiederholtem Einsatz des Fragebogens Fortschritte diagnostizieren, auch wenn seine Kenntnisse noch nicht den optimalen Stand erreicht haben.

Man könnte aber auch bereits die einzelnen Teilbereiche als abgestufte Kompetenzen bezeichnen, die alle Teilkompetenzen der Übersetzungskompetenz sind. Dabei sind die Teilbereiche in diesem Fragebogen zum einen nach der chronologischen Abfolge beim Übersetzen geordnet, so dass die SuS gewohnte Teilschritte der Übersetzung auf dem Bogen wiederfinden. Daher stehen die Vorerschließungsmethoden an erster Stelle. Zum anderen findet eine Progression von einfacheren zu komplexeren Fertigkeiten statt. Deshalb wird zunächst nach der Unterscheidung der Wortarten gefragt, dann nach der Bestimmung von Verben und Substantiven und erst weiter unten nach dem Verständnis lateinischer Konstruktionen, wie dem AcI, oder dem Aufbau längerer Sätze.

Die rechte Spalte, in der die SuS ankreuzen konnten, ob sie zu einem Bereich gerne Übungsmaterial hätten, dient vor allem den SuS dazu, ein Bewusstsein zu entwickeln, an welchem Punkt sie an sich arbeiten wollen. Darüber hinaus wollte ich mich an dieser Spalte bei der Vorbereitung der Freiarbeitsmaterialien orientieren.

Man könnte einwenden, dass der Evaluationsbogen sich überwiegend darauf konzentriert, Schwächen der SuS herauszufinden, anstatt sie in ihren Fähigkeiten zu bestärken. Da ich das Augenmerk der Selbstevaluation aber auf die Übersetzungskompetenz gelegt habe, für die bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten unbedingt erforderlich sind, muss es an dieser Stelle in Kauf genommen werden, wenn der Fragebogen für einige SuS möglicherweise defizitär ausfällt. Genau darin liegt aber die Chance der Selbstevaluation, weil die SuS hier die Möglichkeit erhalten, eben diese Defizite zu überwinden.


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Um die Teilbereiche individuell zu strukturieren und Prioritäten zu bilden, werden die SuS in dem abschließenden Teil des Evaluationsbogens aufgefordert, einen Bereich zu nennen, in dem sie mit ihrer Leistung zufrieden sind, und einen Bereich, in dem sie sich unbedingt verbessern wollen.(47) Die Auswahl trägt zur Vorbereitung auf die Freiarbeitsphase bei, in der sich die SuS festlegen müssen, womit sie beginnen wollen.

 

3.2 Das Lerntagebuch Latein

Auch selbstgesteuertes Lernen erfordert Struktur. Das gilt umso mehr für die SuS der Jahrgangsstufe 7, die eigenverantwortliches Arbeiten im Unterricht gerade erst lernen. Als Hilfsmittel dazu und zur Förderung der metakognitiven Kompetenz diente ein Lerntagebuch. Vor Beginn der ersten Freiarbeitsphase erhielten die SuS zunächst den Selbstevaluationsbogen von mir zurück. Dieser hat die SuS auf die nun folgende Phase bereits vorbereitet, indem sie die rechte Spalte angekreuzt haben („dazu hätte ich gerne Übungsmaterial“), und die letzte Aufgabe ausgefüllt haben („nenne einen Bereich, in dem du dich auf jeden Fall verbessern willst“).

Auf dem als „Lerntagebuch Latein“ betitelten Blatt, das ich jeweils zu Beginn der Freiarbeit ausgeteilt habe, sind vier Fragen zum eigenen Lernverhalten zu beantworten.(48) Dabei ist die erste Aufgabe(49) zu Beginn, die übrigen drei(50) sind am Ende der selbstständigen Arbeitsphase auszufüllen. Das Lerntagebuch in der vorliegenden Form wurde mit einigen Modifikationen in Anlehnung an ein Lerntagebuch von Gerhard Ziener entworfen.(51) Ziener empfiehlt das Lerntagebuch für die Durchführung eines Sozialpraktikums oder für Projektarbeit. In seinem Modell geht er jedoch davon aus, dass das Tagebuch jeweils von einer Gruppe von SuS ausgefüllt wird. Die größte Änderung, die ich im Vergleich zu Zieners Tagebuch durchgeführt habe, besteht darin, dass ich die SuS dazu auffordere, sich vor der jeweiligen Unterrichtseinheit Gedanken zu machen darüber, was sie während der zur Verfügung stehenden Zeit erarbeiten wollen (1. Frage des Lerntagebuchs). So erreiche ich den zentralen oben angesprochenen Punkt, dem eigenverantwortlichen Lernen Struktur zu verleihen. Die SuS werden veranlasst zu reflektieren, was für sie das Ziel der jeweiligen Stunde sein könnte, anstatt sich andernfalls unüberlegt an die Arbeit zu machen. Sie können die Menge des zur Verfügung stehenden Materials zielgerichtet auswählen.


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Die Frage „was nehme ich mir für heute vor“ kann nur dann sinnvoll beantwortet werden, wenn den SuS zu Beginn des Unterrichts die zu erreichenden Standards transparent sind. Das wurde durch den Selbstevaluationsbogen, den alle SuS vor Beginn der ersten Freiarbeitsphase zurückbekamen, gewährleistet. Den SuS ist bewusst, dass sich auf dem Evaluationsbogen die Kompetenzen befinden, die sie beherrschen sollten.(52) Entsprechend ihrer selbst festgestellten Lücken können sie sich ein Ziel für die eigenverantwortliche Arbeit setzen. Der Selbstevaluationsbogen und die erste Frage des Lerntagebuchs versetzen die SuS in die Lage, das eigenverantwortliche Lernen selbstkompetent durchzuführen.

Für die übrigen drei Fragen erhielten die SuS am Ende der Stunde fünf Minuten Zeit.(53) Das Ziel dieser Fragen ist es, die SuS zur Reflexion über ihren eigenen Lernprozess anzuregen. Die SuS können aufschreiben, was ihnen beim Lernen aufgefallen ist, etwas benennen, das ihnen gut gelungen ist, und was sie beim nächsten Mal verbessern wollen. Die SuS lernen so, Verantwortung dafür zu übernehmen, was und wie sie lernen, und selbst darüber nachzudenken, wie sie ihren Lernprozess verbessern wollen, indem sie aus der Dokumentation des Lernprozesses entsprechende Schlussfolgerungen ziehen. Das bewirken die letzte, aber auch die vorletzte Frage („was ich das nächste Mal verbessern will“ und „was mir heute gut gelungen ist“). Der Blick der Lernenden richtet sich so bereits auf die nächste Übungseinheit.(54) Seine optimale Wirkung entfaltet das Lerntagebuch bei wiederholtem Einsatz, weil es die SuS dann zu einer systematischeren Lernstrategie führen kann.

Die wichtigsten Ziele des Lerntagebuchs sind also, die SuS zu planvollem und effektivem Vorgehen anzuleiten, und die metakognitive Kompetenz der SuS zu fördern.

Wie bereits in Kapitel 3.2 angedeutet, ist das Lerntagebuch in meiner Reihe ein bewertungsfreier Raum. An der Frage der Bewertung prallen die grundsätzlich verschiedenen Auffassungen der Reformpädagogik, nach der ein Individuum und seine Leistung nicht in Ziffern messbar ist, und die Anforderungen der staatlichen Sekundarschule aufeinander. Während frühe Vertreter des Portfolios wie Vierlinger sich grundsätzlich gegen eine Bewertung in Zensuren richten,(55) dient beispielsweise Zieners Lerntagebuch nicht nur den SuS als Anleitung zur Reflexion, sondern auch der Lehrkraft als Grundlage für die Bewertung.(56) In der von mir durchgeführten Reihe habe ich mich dafür entschieden, auf eine Bewertung zu verzichten, weil es sich um die ersten Erfahrungen der SuS mit dem Lerntagebuch handelt. Außerdem befinden sich die SuS während der Freiarbeitsphasen in der Übungsphase. Sie sollen möglichst offen mit ihren Schwächen umgehen – sei es in Bezug auf die Sachkompetenz oder in Bezug auf die für das eigenverantwortliche Arbeiten notwendige Selbstkompetenz. Nur dann kann die Reflexion zu einer Verbesserung beitragen.(57)


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3.3 Die Freiarbeitsmaterialien

Wichtigstes Ziel der Freiarbeitsmaterialien ist es, dass die SuS dadurch die Möglichkeit erhalten, ihre Fachkompetenz zu erweitern. Gleichzeitig sollen jedoch – in konsequenter Umsetzung des Vorhabens, das eigenverantwortliche Arbeiten zu fördern – Methoden- und Selbstkompetenz weiter gestärkt werden. Daher wurde in den Freiarbeitsmaterialien besonders fachspezifisches Methodenwissen berücksichtigt. Eine wichtige Forderung an das Material ist, dass es binnendifferenzierend angelegt sein sollte, so dass alle SuS gefördert und gefordert werden können. In erster Linie sollen die SuS ihre Defizite ausgleichen können. Jedoch auch für starke SuS, die sich bereits in allen oder fast allen Bereichen als kompetent einschätzen, sollte genügend anspruchsvolles Material vorhanden sein. Daher standen den SuS als Freiarbeitsmaterialien Arbeitsblätter mit Erklärungen und Übungen zu folgenden Themen zur Verfügung:(58) zur Textvorerschließung, zu Strategien des Vokabellernens, zu den „kleinen Wörtern“, zur Bestimmung von Verben, zur Bestimmung von Substantiven, zur Bestimmung der Adjektive, zur Kongruenz von Substantiven und Adjektiven, zum AcI, zum Aufbau lateinischer Sätze und zu Übersetzungsstrategien. Darüber hinaus lag eine deutsch-lateinische Übersetzungsübung aus für die SuS, die in dem bisher zu lernenden Stoff keine oder fast keine Lücken haben.

Alle Arbeitsblätter sind folgendermaßen aufgebaut: Zunächst wird die Frage beantwortet, warum die jeweiligen Kenntnisse wichtig sind. Damit verfolgen auch die Arbeitsblätter die in der gesamten Unterrichtsreihe angelegte Stärkung der metakognitiven Fähigkeiten. Den SuS soll bewusst werden, wofür sie etwas lernen. Es folgen Erklärungen in Textform. Teilweise werden sie durch Grafiken erweitert. Abschließend befinden sich zusätzliche Übungen auf dem Arbeitsblatt, auf einem zusätzlichen Blatt oder ein Verweis auf Übungen im Lehrbuch oder dem zum Lehrwerk gehörenden Arbeitsbuch (Extra-Training).

An Freilernmaterialien wird zumeist der Anspruch gestellt, dass sie möglichst verschiedene Lerntypen, bzw. Intelligenzen bedienen sollen.(59) Auf die verschiedenen Lerntypen werden die SuS auf dem Informationsblatt zum Vokabellernen aufmerksam gemacht. Die meisten der von mir erstellten Arbeitsblätter sprechen die sprachlich-linguistische Intelligenz der SuS an (den wortklugen Typ), manche auch die bildliche Intelligenz (den bilderklugen Schüler). Das liegt zum einen am Fach Latein selbst, das ein Fach ist, das überwiegend mit Texten arbeitet und Textkompetenz schult, zum anderen jedoch auch an der zur Verfügung stehenden Zeit und den vorhandenen Materialien, die für das Erstellen der Arbeitsblätter genutzt wurden. Das Erstellen von sinnvollen Übungsmaterialien für andere Lerntypen wäre Gegenstand einer weiteren Studie.


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Die Lösungen der Übungen liegen auf laminierten Kärtchen mehrfach an einem freien Tisch aus, an dem die SuS ihre Aufgaben selbstständig kontrollieren können. Die Selbstkontrolle wurde mit den SuS mehrfach geübt und wird von allen verantwortungsvoll ausgeführt.(60) Sie trägt zur weiteren Förderung der Eigenständigkeit bei und bietet viele Vorteile.(61) Dazu gehört, dass die Lernenden in ihrem eigenen Tempo arbeiten und unmittelbar nach der Übung die Ergebnisse kontrollieren können. Zudem setzen sie sich bei der Korrektur kritisch mit ihren eigenen Ergebnissen auseinander und müssen diese selbst reflektieren, wodurch die Selbstkompetenz der SuS gestärkt wird.

Exemplarisch soll nun das Arbeitsblatt zum AcI vorgestellt werden.(62) Dieses Arbeitsblatt richtet sich sowohl an starke als auch an schwache SuS. Die einleitende Erklärung, warum es wichtig ist, über den AcI Bescheid zu wissen, stellt den AcI als eine vom Deutschen abweichende Konstruktion dar. Um das Informationsblatt zu entlasten, wurde nicht auf die Fälle eingegangen, in denen im Deutschen ebenfalls ein AcI stehen kann. Dieses Wissen hilft den SuS bei der Übersetzung der abweichenden Fälle nicht weiter. Daher folgt eine zielsprachenorientierte Erläuterung der Konstruktion, die den AcI als Nebensatz darstellt.(63) Der folgende Absatz geht auf das Zeitverhältnis ein und berücksichtigt die beiden den SuS bis dahin bekannten Infinitive (Präsens Aktiv und Perfekt Aktiv). Anschließend wird erläutert, nach welchen Verben der AcI stehen kann. Denn die Schwierigkeit bei der Übersetzung des AcI liegt oft nicht darin, nachdem er erkannt wurde, ihn zu übersetzen, sondern ihn überhaupt zu erkennen. Alle hier aufgeführten Wortgruppen sind den SuS bereits seit der Einführung des AcI in Lektion 17 bekannt. Die Bezeichnung „Kopf-Verben“ dient der besseren Einprägsamkeit und wird durch eine Grafik von Cicero weiter unterstützt. Als letzten Punkt beinhaltet das Arbeitsblatt eine Erklärung zur Verwendung des Reflexivpronomens im AcI. Bei der Einführung wurde viel Zeit für die Erarbeitung und Übung zu den Pronomina im AcI verwendet, so dass mir auf dem zusammenfassenden Blatt eine kurze Erwähnung als ausreichend erscheint.

Zur Übung steht das zweite Blatt zur Verfügung. Hier konnte ich Material aus dem Übungsheft zu Salvete(64) und eine Übersetzungsübung aus dem Extra-Training nutzen. Der aus Salvete übernommene Text fragt genau die Bereiche ab, die auf dem Arbeitsblatt vermittelt werden. Vokabeln und Kontext der Übersetzungsübung aus dem Extra-Training sind den SuS bekannt. In fünf Beispielsätzen sind fünf AcIs untergebracht. Satz 3 wurde leicht verändert, damit die Erklärungen zur Reflexivität im AcI ebenfalls angewendet werden können.


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4 Durchführung der Unterrichtsreihe und Entwicklungen in der Lerngruppe

Bei der Durchführung der Unterrichtsreihe stellen sich mehrere Fragen: Lassen sich die vielen Vorteile, die sich aus der Theorie ergeben, auf die Praxis übertragen? Lohnt sich die investierte Arbeit und Zeit für den Lateinunterricht, können die SuS also tatsächlich etwas für ihre Übersetzungskompetenz lernen? Ist das Konzept für alle tragfähig oder nur für einen kleinen Teil, der bereits eine hohe metakognitive Kompetenz und Selbstkompetenz besitzt? Haben die stärkeren SuS ausreichend Material und gelingt es den schwächeren, ihre Lücken zu erkennen? Was ist mit den SuS, die ihre eigene Übersetzungskompetenz nicht richtig einschätzen, die sich entweder als zu stark oder zu schwach ansehen? Und schließlich: Wie kann gewährleistet werden, dass jeder Schüler das für sich passende Material auswählt, so dass er sich weder über- noch unterfordert fühlt? Diese Fragen sollen bei der Beschreibung der Durchführung und der Ergebnisse berücksichtigt werden.

 

4.1 Die Selbstevaluation

Die Selbstevaluation wurde im Anschluss an die Übersetzung des Lektionstextes der Lektion 23 durchgeführt. Die SuS konnten sich bei ihrer Selbsteinschätzung also daran orientieren, was bei dieser Übersetzung gut und was weniger gut funktioniert hat. Der Selbstevaluationsbogen wurde dann von mir eingesammelt,(65) da ich mir einen Überblick verschaffen wollte, wie die SuS mit den Fragebögen umgegangen sind, und da ich das Übungsmaterial anhand der Ergebnisse gestalten wollte. Ich musste den SuS verständlich machen, dass der Evaluationsbogen zwar von mir eingesehen, aber nicht bewertet wird. Sie mussten ihrer Lehrperson darin vertrauen. Bis auf einen Schüler wurde das von allen selbstverständlich akzeptiert, wie die in der Gesamtheit sehr offenen und mit einigen negativen Selbsteinschätzungen versehenen Beurteilungsbögen zeigen. Den skeptischen Schüler konnte ich nach einem kurzen persönlichen Gespräch überzeugen, dass diese Unterrichtsphase nicht in die Bewertung einfließen würde.(66)

Wie bereits erwähnt, stellte sich heraus, dass die Klasse in allen Teilbereichen Übungsbedarf anmeldete.(67) Eine besonders hohe Nachfrage bestand nach Materialien zur Bestimmung der Verben und zum AcI. Dass die Schüler sich auf die Verbkonjugationen vorbereiten wollten, lag wohl daran, dass in den letzten beiden Lektionen das Futur eingeführt wurde, und ich bereits angekündigt hatte, dass die Tempora grammatischer Schwerpunkt der nächsten Arbeit sein würden. Dass vielen SuS (auch vielen leistungsstarken) anscheinend der AcI noch Unbehagen bereitete, war eine wichtige Information für mich, die ich aus dem täglichen Unterricht nicht erfahren hätte.


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Die Selbsteinschätzung wurde von den SuS sehr differenziert durchgeführt. Als Beispiel seien die Evaluationsbögen von Corinne, Leon und Pascal näher betrachtet.(68) Während Corinne eine sehr fleißige, gute Schülerin ist, zeigt Leon schwankendes Interesse und schwankende Leistungen im Fach Latein. Er kann sich besonders für antike Geschichte und Kultur begeistern, ist aber in sprachlich orientierten Phasen oft abgelenkt. Pascal ist der zur Zeit leistungsschwächste Schüler im Kurs. Er hat mit Defiziten zu kämpfen, die sich seit dem letzten Schuljahr angehäuft haben.

Corinne führt in die Beurteilung Zwischennoten ein und gibt sich einmal eine Bewertung zwischen ++ und +, viermal ein +, fünfmal ein O, einmal ein -, einmal eine Zwischennote zwischen - und -- und einmal ein --. Leon gibt sich einmal die beste Beurteilung (++), einmal die zweitbeste (+), viermal sieht er sich im mittleren Bereich (O), sechsmal konstatiert er Defizite bei sich (-) und einmal gravierende Defizite (--). Pascal beurteilt sich einmal mit +, neunmal mit O, dreimal mit -, aber nie mit -- oder mit ++.

Abb. 1. Ergebnis Selbstevaluation Corinne, Leon und Pascal

Beurteilung ++ ++ /+ + O O / - - --
Corinne - 1 4 5 1 1 1
Leon 1 - 1 4 - 6 1
Pascal - - 1 9 - 3 -

Die Leistungsunterschiede scheinen bei Betrachtung des Evaluationsbogens nicht so deutlich, wie sie tatsächlich sind. Corinne hat trotz guter Noten häufig Zweifel an ihrer Leistung.(69) Auffällig ist, dass sie sich in der übergeordneten Kompetenz die beste Beurteilung gibt, in einigen Teilbereichen (vor allem Deklinationen der Adjektive, Zusammengehörigkeit der Worte und AcI) aber Defizite sieht. Daraus leitet sie ab, dass sie sich in den Bereichen Adjektive und AcI verbessern will.(70) Leon schöpft das ganze Beurteilungsspektrum aus, sagt von sich, dass er den Umgang mit Paratexten gut beherrsche. Am meisten Probleme macht ihm nach seiner Einschätzung die Übersetzung längerer Sätze. Er sieht seine Stärken im Bereich der Zeiten, obwohl er hierfür Übungsmaterial anfordert,(71) und will sich ganz allgemein beim Übersetzen verbessern. Pascal macht die meisten Kreuze im mittleren Bereich. In drei Bereichen setzt er ein „-“ und wählt vier Bereiche aus, zu denen er sich Übungsmaterialien wünscht. Er gibt an, dass er mit sich beim Vokabellernen zufrieden ist, und dass er sich, wie Leon, allgemein bei den Übersetzungen verbessern will. Obwohl er der leistungsschwächste Schüler ist, sieht sein Evaluationsbogen in der Summe kaum schlechter aus als der Corinnes und besser als der Leons.


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Man könnte also einwenden, dass mindestens zwei der drei Schüler ein falsches Bild von sich haben. Tatsächlich aber dürfen und sollen die SuS einen individuellen Maßstab anlegen. Entscheidend für eine erfolgreiche Weiterarbeit ist nicht, dass alle auf einer genormten Skala zu einem objektiven Ergebnis kommen. Entscheidend ist vielmehr, dass alle SuS Bereiche für sich herausfinden, in denen sie stärker sind,  und Bereiche, die sie schlechter beherrschen. Alle drei hierarchisieren ihre Stärken und Schwächen, indem sie teilweise Übungsmaterialien anfordern, und sowohl ein Teilgebiet nennen, in dem sie mit ihrer Leistung zufrieden sind, als auch ein Gebiet, in dem sie sich verbessern wollen. Corinne setzt noch einmal Prioritäten durch das Ausrufezeichen, und in der Tat wird sie bei der ersten Freiarbeitsphase mit dem Arbeitsblatt zum AcI beginnen. Wie die drei Beispiele zeigen, und wie es die übrigen Fragebögen bestätigen, wird die Selbstevaluation also von den SuS als subjektives Diagnoseinstrument genutzt und hilft ihnen, sich differenziert über ihren Wissensstand in Teilbereichen der Übersetzungskompetenz klar zu werden.

 

4.2 Die Freiarbeitsphasen

Insgesamt wurden drei Freiarbeitsphasen in jeweils einer Unterrichtsstunde durchgeführt.(72) Der Ablauf der Stunden war identisch, abgesehen von einigen Besonderheiten der ersten Stunde.

Vor der ersten Freiarbeitsphase wurde den SuS der von ihnen ausgefüllte Evaluationsbogen zurückgegeben. Diesen hatte ich den SuS zusammen mit dem ersten Blatt des Lerntagebuchs vor Beginn der Stunde an ihren Platz gelegt. Bevor die SuS mit der Arbeit beginnen konnten, musste ich die zur Verfügung stehenden Materialien erläutern. Sie decken, wie gewünscht, alle Bereiche des Selbstevaluationsbogens ab, sind aber nicht immer genau einer Nummer des Evaluationsbogens zuzuordnen.(73) Daher habe ich zu Beginn der Stunde erklärt, auf welche Bereiche sich die einzelnen Arbeitsblätter beziehen. Dabei habe ich für diejenigen, die bei sich viele Defizite festgestellt haben, betont, dass die Arbeitsblätter zu den Deklinationen der Substantive und den Konjugationen der Verben Grundlage für weitere Arbeitsblätter, wie AcI und Aufbau längerer Sätze sind. Die Auswahl wurde aber den SuS überlassen. Die Materialien lagen auf einem freien Tisch aus. Ein Pappschild zeigte jeweils das Thema der Arbeitsblätter an, damit die SuS auch nach meiner Erklärung die Übersicht behielten.

Die Lerntagebücher(74) zeigen, dass die SuS sich für die jeweiligen Stunden sinnvolle Ziele setzten. Das bedeutet, dass ihnen die zu erreichenden Standards transparent waren, wozu der Evaluationsbogen beigetragen hatte.


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Die meisten SuS nahmen sich für eine Stunde zwei bis drei Ziele vor (wie Corinne und Mara). Einige notierten noch mehr Themen (Sarah, Jonathan), konnten dann aber nicht alles erreichen. Fast alle SuS vollziehen den von mir durch das Tagebuch intendierten wichtigen Schritt, die Freiarbeitsphase zu strukturieren, indem sie darüber reflektieren, was für sie das in diesem Moment wichtigste Arbeitsgebiet ist, um auf dieser Grundlage die zur Verfügung stehende Zeit zielgerichtet zu nutzen. Eine Ausnahme bildet das Tagebuch Fabiennes. Sie setzt sich in ihrem Lerntagebuch der dritten Freiarbeitsstunde gar kein konkretes Ziel, sondern bezieht sich schon in der ersten Frage auf ihre eigene Arbeitshaltung, indem sie sich vornimmt, so viele Arbeitsblätter wie möglich zu schaffen.

Die Phase der Materialauswahl brachte in der ersten Stunde einen Moment lang Unruhe in die Klasse, die sich aber nach wenigen Minuten, nachdem sich alle SuS mit Arbeitsblättern versorgt hatten, wieder legte. Da die meisten SuS selbstständig arbeiteten und wenig Interesse an mir als Lehrperson hatten, konnte ich diejenigen SuS bei der Auswahl beraten, die an vielen Defiziten arbeiten mussten, wobei mein Rat gar nicht immer notwendig war. Stephanie entschied sich zuerst dafür, beim Vokabellernen einmal andere Methoden auszuprobieren. Eilyn hatte von sich aus die Arbeitsblätter zur Verb- und Substantivbestimmung ausgewählt. Lisa begann mit dem Arbeitsblatt zur Kongruenz von Substantiven und Adjektiven und nahm auf meinen Rat hin das Blatt zur Substantivbestimmung hinzu. Pascal entschied sich zuerst dafür, Vokabeln zu lernen. Ich empfahl ihm aufgrund seiner Evaluation die Deklinationen der Substantive und Adjektive zu wiederholen.

Das Arbeitsmaterial beschäftigte alle SuS in den drei Unterrichtsstunden gut. Kein Schüler versuchte sich an der deutsch-lateinischen Zusatzaufgabe, worüber ich zunächst erstaunt war. Zwei Schüler hatten sich im Evaluationsbogen fast keine Defizite bescheinigt (Florian und Mira), hinzu kommen oft noch weitere (wie Max F. und Anne), die sehr zügig arbeiten und dann normalerweise bereitwillig Zusatzaufgaben erledigen. Offenbar nahmen die SuS die Gelegenheit zur Wiederholung gerne wahr. Die insgesamt zur Verfügung stehende Arbeitszeit von drei Unterrichtsstunden scheint mir für die meisten SuS dennoch ausreichend gewesen zu sein. Danach hätten die Materialien einer Erweiterung bedurft.

In den Freiarbeitsphasen zeigten die SuS eine hohe Motivation und entwickelten großen Ehrgeiz, möglichst viele Blätter zu bearbeiten. Während sie im üblichen Unterricht gerne versuchen, mich zu überreden, doch weniger zu arbeiten,(75) wollten sie nun möglichst viel erreichen. Sehr oft findet sich in den Lerntagebüchern der Vorsatz für das nächste Mal, schneller zu arbeiten bzw. mehr Arbeitsblätter zu schaffen. Auch das eingangs erwähnte Zitat, in dem ein Schüler mich auffordert, doch einfach die ganze Übung für alle zu machen, stammt aus meinem Unterricht in dieser Klasse vor Durchführung der Unterrichtsreihe.


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Es spiegelt meiner Ansicht nach eine typische Haltung von Schülern wider, die allein im Blick haben, dass das Unterrichtsgeschehen entlang der Lektionen des Lehrbuchs voranschreitet, die aber das Wichtigste in den Hintergrund gedrängt haben, dass es nämlich im Unterricht nicht um das Durcharbeiten von Lektionstexten und Übungen, sondern um ihren eigenen Kompetenzzuwachs geht.

Im Gegensatz dazu stand die veränderte Einstellung der SuS zum Unterricht während der Reihe. Sie zeigten Interesse an den grammatischen Themen und fragten sogar nach zusätzlichen Informationen. Auch die ansonsten unruhigen SuS Jan, Danilo, Adrian, Sarah und Julia verhielten sich unauffällig, weil sie konzentrierter als gewöhnlich arbeiteten. Als Beispiel befindet sich ein Lerntagebuch Sarahs im Anhang, die sich für die dritte Freiarbeitsphase(76) den AcI, Konjugationen, Deklinationen und Vokabeln vorgenommen hat. Ihr gelingt es, das Arbeitsblatt zu den Deklinationen und zum AcI zu bearbeiten, was auf eine konzentrierte Arbeitshaltung schließen lässt. Natürlich kann ich nicht davon ausgehen, dass alle 30 SuS in allen Freiarbeitsphasen ununterbrochen hochkonzentriert waren.(77) Offensichtlich war jedoch, dass sich das Arbeitsklima in der Klasse verbesserte.

Auch die Selbstkontrolle funktionierte, so weit ich das beobachten konnte, sehr gut. Die SuS nahmen die Eigenverantwortung in Bezug auf ihren Lernprozess wahr und gingen erst nach Beendigung der Übungen zu den auf dem freien Tisch ausgelegten Lösungen. Vorteilhaft war, dass nicht für jeden Schüler ein Lösungsblatt ausgedruckt war,(78) sondern dass zwei laminierte Exemplare an dem Tisch auslagen. Das verleitet die Lernenden nicht so schnell dazu, die Lösung mit an den eigenen Platz zu nehmen, sobald sie einmal nicht weiter wissen, und für die verbliebenen Übungssätze die Lösung abzuschreiben, ohne vorher selbst nachzudenken.

Ich  beendete die Freiarbeitsphase jeweils circa 5 Minuten vor Unterrichtsende und forderte die SuS dann auf, die übrigen drei Fragen des Lerntagebuchs zu beantworten. Ich hatte die Fragen nicht weiter erläutert und auch keine Vorgaben gemacht. So fallen die Antworten sehr unterschiedlich aus, wie die im Anhang abgedruckten Lerntagebücher zeigen. Corinne und Sarah bleiben fast ausschließlich auf der inhaltlichen Ebene. Sie beschreiben, welche Themen sie bearbeitet haben, und welche sie sich für das nächste Mal vornehmen. Das ist in den meisten der eingesammelten Lerntagebüchern der Fall. Es gibt aber auch nicht wenige andere Beispiele, zu denen Fabienne, Mara und Jonathan gehören. Fabienne denkt selbstkompetent und selbstkritisch über ihr eigenes Lernverhalten während der Freiarbeit nach und nimmt sich vor, dieses zu verbessern. Jonathan zieht in seinem Lerntagebuch(79) sogar Rückschlüsse, die nicht nur die Freiarbeitsphase, sondern sein gesamtes Lernen für Latein tangieren. Die Arbeitsblätter scheinen ihm eigene Defizite bewusst gemacht zu haben.


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Daher will er insgesamt mehr lernen. Diese Erkenntnis kam ihm sicherlich während des Bearbeitens der Arbeitsblätter. Das Lerntagebuch veranlasst ihn, sein Vorhaben schriftlich zu formulieren, das er ansonsten möglicherweise schnell wieder vergessen hätte. Die beiden Lerntagebücher von Mara zeigen, dass auch sie ihr Lernverhalten selbstkritisch reflektiert. In der zweiten Freiarbeitsphase nimmt sie inhaltlich und methodisch auf das erste Lerntagebuch Bezug. Nachdem sie sich selbst beim ersten Mal kritisiert, dass sie mit dem zweiten Arbeitsblatt nicht fertig wurde und sich vornimmt, das nächste Mal schneller zu arbeiten, äußert sie sich im zweiten Arbeitsblatt in dieser Hinsicht zufrieden. Das Vorhaben, beim nächsten Mal noch schneller zu arbeiten, versieht sie mit einem Fragezeichen, weil sie wahrscheinlich schon sehr konzentriert gearbeitet hat.

Insgesamt wurden die Fragen von den SuS eher knapp beantwortet. Manche wussten mit der 2. Frage „was mir heute besonders aufgefallen ist“ nichts anzufangen, was sie bei der Bewertung der Unterrichtsreihe kritisch anmerkten. In erster Linie sind die kurzen Antworten jedoch darauf zurückzuführen, dass die SuS nur fünf Minuten am Ende der Unterrichtsstunde Zeit hatten. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, das Ausfüllen des Lerntagebuchs als Hausaufgabe zu stellen. Nachteilig wäre dann aber die größere zeitliche Distanz gewesen. Es wäre ebenfalls sinnvoll gewesen, die Fragen des Lerntagebuchs mit den Schülern zu besprechen. Besonders geeignet wäre dafür die zweite Freiarbeitsstunde gewesen, in der alle schon erste Erfahrungen mit dem Lerntagebuch gesammelt hätten. Hier hätten Vorschläge für Antworten vorgetragen werden können. Eventuell hätte ich dadurch bei der zweiten Verwendung des Tagebuchs mehr SuS zu einer Metareflexion veranlassen können (was einige, wie Fabienne und Mara, von sich aus getan haben). Aber auch ohne Erläuterungen im Klassenverband und trotz der knapp bemessenen Zeit konnten viele SuS das Lerntagebuch erfolgreich nutzen. Es diente allen dazu, sich ein Ziel für die jeweilige Stunde zu setzen. Am Ende der Stunde wurden alle veranlasst sich noch einmal über die zurückliegende Unterrichtsstunde Gedanken zu machen. Die Ergebnisse zeigen, dass auf diese Weise für den ersten Einsatz eines Lerntagebuchs bereits viel erreicht wurde, was bei einem weiteren Einsatz noch in Richtung metakognitiver Fähigkeiten durch den Zuwachs an Erfahrung und durch eine bessere Anleitung ausgebaut werden kann.


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5. Ergebnisse und Ausblick

Zunächst war geplant, die SuS am Ende der Reihe eine erneute Selbstevaluation durchführen zu lassen, um zu sehen, in welchen Bereichen sie sich verbessert haben. Das schien mir jedoch nach der dritten Freiarbeitsphase für die SuS nicht plausibel, weil einerseits der Zwischenzeitraum zu kurz war, und andererseits gleichzeitig der normale Unterricht fortgesetzt wurde. Im fortlaufenden Unterricht traten wieder neue Schwierigkeiten in den Blick. Es erschien mir daher nicht nachvollziehbar für die SuS, davon zu abstrahieren und ihnen noch einmal denselben Fragebogen vorzulegen.(80) Stattdessen ließ ich als Abschluss die Unterrichtsreihe bewerten, indem ich die SuS bat, Stellung zu nehmen zur Selbstevaluation, dem Lerntagebuch, dem Material und der zur Verfügung stehenden Zeit. Diesmal sollten sie ohne exakt vorgegebene Fragen frei formulieren.(81) Die Ergebnisse der Schülerbewertung sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

Die SuS bewerten die Selbstevaluation durchweg positiv. Dabei wussten viele der Siebtklässler die Zusammenstellung der Kompetenzstandards als Orientierung zu schätzen (wie Jelena und Fabienne). Sie finden es gut, den Überblick zu bekommen über das, was sie alles können müssen und so einschätzen zu können, wie ihr eigener Leistungsstand zu beurteilen ist, wie es Stephanie(82) in ihrer Bewertung formuliert. Viele SuS beurteilen positiv, dass sie durch die Selbstevaluation ihre Stärken und Schwächen herausgefunden haben (wie z.B. Max R. und Pascal). Meine Befürchtung, dass der Fragebogen einen zu negativen Blick auf die Leistung schwächerer Schüler wirft, bewahrheitete sich demnach nicht, weil auch Pascal, der zur Zeit leistungsschwächste Schüler, nicht nur Schwächen, sondern auch Stärken erwähnt.

Das Lerntagebuch wurde von den SuS unterschiedlich beurteilt. Wie bereits erwähnt, kritisieren einige SuS, dass sie nicht immer wussten, was mit den Fragen gemeint war. Max F. tut das Tagebuch kurzer Hand ab, indem er sagt, es habe ihm nichts gebracht.(83) Jelena, Fabienne, Sarah, Max R., Stephanie und Lisa beurteilen das Lerntagebuch positiv. Sie nennen als Gründe, dass man so den Überblick behalte über das, was man geschafft habe (Jelena), sich ein Ziel für die nächste Stunde setze (Fabienne) und allgemein den Überblick habe (Sarah).(84) Wesentliche Ziele, die durch das Lerntagebuch intendiert waren (Strukturierung und Reflexion über das Lernen), sind somit bei den SuS angekommen.

In Bezug auf die zur Verfügung stehende Zeit sind die SuS ebenfalls unterschiedlicher Meinung. Die meisten schreiben, dass ihnen die Zeit ausreichte, und sie sie gut nutzen konnten (Max R., Pascal, Sarah, Max F., Stephanie, Lisa). Manchen war es zu wenig Zeit (wie Jelena und Fabienne, die jedoch beide als mögliche Ursache angeben, dass sie abgelenkt waren). Ich sehe mich durch die Rückmeldungen insgesamt darin bestätigt, dass die zur Verfügung stehende Zeit für die Lerngruppe angemessen war. Mehr Sitzungen mit den Freiarbeitsmaterialien wären nicht sinnvoll gewesen. Es wäre aber besser gewesen, wenn die Phasen jeweils länger als nur eine Schulstunde gedauert hätten.


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Das Material wird von den SuS insgesamt positiv beurteilt. Sie wissen zu schätzen, dass sie sich nach ihrem Bedarf etwas auswählen konnten (Fabienne). Unter allen 30 Rückmeldungen sind insgesamt drei negative in Bezug auf das Material. Einmal wird kritisiert, dass die Arbeitsblätter zwar gut zum Lernen, aber zu langweilig gewesen seien, und zweimal, dass sie teilweise zu schwer wären. Wie in Kapitel 3.3 angedeutet, bin ich ebenfalls der Auffassung, dass die Materialien hinsichtlich der Gestaltung noch verbessert werden könnten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Durchführung der Reihe und die Schülerprodukte (Selbstevaluationsbögen, Lerntagebücher und Bewertung) zeigen, dass viele der im Theorieteil intendierten Ziele in der Praxis realisiert werden konnten. Die SuS konnten während der Freiarbeitsphasen eigenverantwortlich arbeiten. Dazu trugen sowohl der Selbstevaluationsbogen als auch das Lerntagebuch bei, mit deren Hilfe den SuS die zu erreichenden Standards bewusst wurden und die das eigenverantwortliche Arbeiten strukturierten. Das Lerntagebuch, das die SuS darüber hinaus zu einer Reflexion über ihr Lernen veranlasste, kann sie direkt oder indirekt nicht nur im Lateinunterricht, sondern auch in anderen Bereichen, in denen sie eigenverantwortlich arbeiten, unterstützen. Es ist zu erwarten, dass die Reflexionen über das eigene Lernen bei wiederholter Anwendung des Lerntagebuchs noch ausgereifter und präziser werden,(85) wozu auch eine bessere Anleitung beitragen könnte. Die Reihe konnte somit bei enger fachlicher Anbindung die übergeordneten Fähigkeiten der Selbstkompetenz und Methodenkompetenz schulen, die die SuS fächerübergreifend nutzen können und die sie auf ein Lebenslanges Lernen vorbereiten.

Als vollkommen unproblematisch erweist sich nach meiner Erfahrung die Frage, ob sich ein Schüler insgesamt als zu positiv oder zu negativ einschätzt, wie die besprochenen Beispiele zeigen. Denn die SuS reflektieren alle über die für sie notwendigen Prioritäten und entscheiden sich dementsprechend für Materialien, mit denen sie bei der Freiarbeit beginnen wollen. Ein großer Vorteil, den auch die SuS zu schätzen wissen, besteht darin, dass sie während der Freiarbeitsphasen auf ihrem jeweiligen Lernstand arbeiten können und individuell ihre Defizite verbessern können.

Den größten Erfolg der Reihe – weil ich ihn nicht in diesem Maß erwartet hatte – sehe ich jedoch in der veränderten Einstellung der SuS zum Lernen. Ihnen war bewusst, welche Ziele es zu erreichen gilt.


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Dafür wollten sie die zur Verfügung stehende Zeit optimal nutzen. So war gewährleistet, dass alle SuS (und nicht nur diejenigen, die ohnehin bereits ein hohes Maß an Selbstständigkeit haben) mit der Eigenständigkeit verantwortungsvoll umgingen. Die verbesserte Motivation ist aber nicht nur für die Selbstständigkeit, sondern außerdem auch für den Lernerfolg wichtig.(86)

Die kompetenzorientierte Selbstevaluation hat sich nach meiner Erfahrung als eine Methode erwiesen, die sich im Unterrichtsfach Latein sehr gewinnbringend einsetzen lässt, weil sich wichtige fachliche Inhalte in den Mittelpunkt stellen lassen. Bei wiederholter Durchführung kann das Aufarbeiten von Defiziten mehr und mehr in die Eigenverantwortung der SuS gegeben werden. Dann reduziert sich der hohe zeitliche Aufwand für die Lehrkraft, der vor allem durch das Erstellen der Freilernmaterialien verursacht wird. Von einer wiederholten Durchführung der Selbstevaluation in regelmäßigen Abständen(87) ist zu erhoffen, dass sich die positiven Effekte weiter verstärken. Als weiterer Vorteil ist zu nennen, dass sich die Selbstevaluation gut mit individuellen Förderplänen verbinden lässt, wie ich bereits erproben konnte. Diese werden durch die Kompetenzorientierung konkreter gefüllt als allgemeine Anweisungen wie „Vokabeln besser lernen“ oder „Deklinationen und Konjugationen wiederholen“ und enthalten für die SuS konkrete Handlungsanweisungen, die von ihnen selbst aufgestellt und daher als sinnvoll erachtet werden.

Jessica S. H. Ott
Altes Dorf 10
35096 Weimar / Lahn


Anhang 1 (PDF): Selbstevaluation zur Übersetzungsfähigkeit
Anhang 2 (PDF): Lerntagebuch
Anhang 3 (PDF): AcI
Anhang 4 (PDF): Bewertung Selbstevaluation

Literaturverzeichnis

Lehrwerke



                                     Pegasus-Onlinezeitschrift VIII/2 (2008), 49
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Sekundärliteratur



                                     Pegasus-Onlinezeitschrift VIII/2 (2008), 50
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Internet



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(1) Vgl. Gugel, G., 1000 neue Methoden. Praxismaterial für kreativen und aktivierenden Unterricht, Weinheim und Basel 2007 und Frölich, R., Drumm, J. (Hgg.), Innovative Methoden für den Lateinunterricht, Göttingen 2007.

(2) Zum Methodenbegriff, der auf unterschiedliche Weise definiert wird, vgl. die neueren Methodenhandbücher. Rainer Nickel stellt im Lexikon zum Lateinunterricht (Bamberg 2001, 199f.) drei Gesichtspunkte zusammen, unter denen Methodik im Lateinunterricht relevant ist: 1. als unterrichtsstrategisches System (darunter sind alle Methoden zu fassen, die in gewöhnlichen Methodenhandbüchern zu finden sind; auch die von mir eingesetzte Selbstevaluation fällt darunter), 2. als lehrgangsimmanentes System (damit ist das Lehrwerk gemeint) und 3. als System von Lehr- und Arbeitstechniken (darunter fällt fachspezifisches Methodenwissen, wie das Wissen über Übersetzungsstrategien, das hier ebenfalls von Bedeutung sein wird).

(3) Ich spreche im Folgenden von einer „Unterrichtsreihe“, auch wenn die einzelnen Stunden nicht unmittelbar aufeinander folgend, sondern mit zeitlicher Unterbrechung stattgefunden haben.

(4) Ein umfassender Überblick über Entstehung und Verbreitung von Portfolios und Selbstevaluation findet sich bei Brunner, I. / Häcker, T. / Winter, F. (Hgg.), Das Handbuch Portfolioarbeit: Konzepte, Anregungen, Erfahrungen aus Schule und Lehrerbildung, Seelze-Velber 2006.

(5) Beispielsweise gibt es Versuche, Latein in das Europäische Sprachenportfolio gemäß dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen zu integrieren. Vgl.: http://www.learn-line.nrw.de/angebote/eps2/eps_lateinunterricht.html . Eine Arbeitsgruppe des niedersächsischen Altphilologenverbandes hat ein umfangreiches Portfolio entwickelt, das derzeit im Unterricht erprobt wird. Außerdem beziehen folgende Beiträge des AU 1 (2008) die Selbstdiagnose in die binnendifferenzierte Arbeit mit ein: Doepner, T., Keine Förderung ohne Diagnose, 14-22, Ervens, T. Individuelle Förderung im Lateinunterricht, 24-30, und Göttsching V. / Marino S., Binnendifferenzierung als Brücke von der Spracherwerbsphase zur Übergangslektüre, 47-64.

(6) Vgl. die entsprechenden Lehrwerke Découvertes, A plus, Green line, Camden town, English G 21.

(7) Die Abkürzung „SuS“ wird hier für „Schülerinnen und Schüler“ verwendet.

(8) Salvete. Arbeitsheft Lektion 1 bis 16, U. Althoff (u.a.), Berlin 2007 (Cornelsen). Ein vergleichbares Vorgehen bietet das Arbeitsheft zum neuen Cursus. Ausgabe A.

(9) Der Schüler, der sich selbst bewerten soll, muss sich die Lösung mühevoll suchen und ist vielleicht dann immer noch nicht sicher, ob sie richtig ist.

(10) Salvete (2007), 18.

(11) Zu den vielen Bedeutungen, die dem Begriff „Portfolio“ zugeschrieben werden, vgl. Häcker, T., Vielfalt der Portfoliobegriffe, in: I. Brunner / T. Häcker / F. Winter (Hgg.) (2006), 33-39.

(13) Vgl. Häcker, T., Wurzeln der Portfolioarbeit, in: I. Brunner / T. Häcker / F. Winter (Hgg.) (2006), 27-32, 31.

(14) Pfeifer, S. / Kriebel, J., Lernen mit Portfolios. Neue Wege des selbstgesteuerten Lernens in der Schule, Göttingen 2007, 18.

(15) Vgl. dazu Kapitel 3.1 und 3.2.

(16) Vgl. R. Nickel (2001), 81.

(17) Vgl. Scholz, I., Es ist normal, verschieden zu sein, AU 1 (2008), 2-13, 4.

(18) Vgl. Pfeifer / Kriebel (2007), 86.

(19) Vgl. Paradies, L. / Linser, H. J. / Greving, J., Diagnostizieren, Fordern und Fördern, Berlin 2007, 81f.

(20) Bund-Länder-Kömmission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK), (Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung 115),  Bonn 2004 => Bund-Länder-Kömmission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK), Strategien für Lebenslanges Lernen in der Bundesrepublik Deutschland, (Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung 115),  Bonn 2004. 

(21) Vgl. Paradies / Linser / Greving (2007), 10f.

(22) Vgl. Ziener, G., Bildungsstandards in der Praxis. Kompetenzorientiert unterrichten, Seelze-Velber 2006, 22.

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(23) „Gebildet im wahren Sinn des Wortes ist jedoch nur derjenige, der in unterschiedlichen Lebenssituationen und im Hinblick auf komplexe Sachverhalte eigenständig urteilen und handeln und damit für sich und andere Verantwortung übernehmen kann.“ Vgl. Klafki, W., Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik: zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik, Weinheim und Basel 1996, 19.

(24) Das zeigte sich deutlich während der Durchführung der Reihe. Vgl. dazu Kapitel 4 und 5.

(25) Vgl. Hüther, G., Wie lernen Kinder? Voraussetzungen für gelingende Bildungsprozesse aus neurobiologischer Sicht, in: R. Caspary (Hg.), Lernen und Gehirn. Der Weg zu einer neuen Pädagogik, Freiburg 2006, 70-84, 82.

(26) Vgl. Herrmann, U., Lernen findet im Gehirn statt. Die Herausforderungen der Pädagogik durch die Gehirnforschung, in: R. Caspary (Hg.), Lernen und Gehirn. Der Weg zu einer neuen Pädagogik, Freiburg 2006, 85-98, 88.

(27) An dieser Stelle ist wiederum auf die Lernpsychologie zu verweisen. Neues Wissen kann dann umso besser behalten werden, wenn es an vorhandenes Wissen anschließt. Welches Wissen vorhanden ist, ist wiederum bei jedem einzelnen Schüler unterschiedlich.

(28) Felix - Ausgabe A, K. Westphalen / C. Utz / R. Nickel (Hgg.), Bamberg  42006 (Buchner)

(29) Vgl. Felix - Ausgabe A. Der Lehrerband,  J. Burdich u.a. (Hgg.), Bamberg 1996 (Buchner), 5-7.

(30) Auch der 2008 erschienene Nachfolgeband Felix Neu, hrsg. v. C. Utz / A. Kammerer, Bamberg (Buchner), bietet hier wenig Fortschrittliches. Methodenseiten beschränken sich auf den Umgang mit dem Lateinbuch, mit archäologischen Quellen, mit Textquellen und mit Wortkunde und Lexikon.

(31) Nickel, 291f.

(32) Hessisches Kultusministerium (Hg.), Lehrplan Latein. Gymnasialer Bildungsgang. Jahrgangsstufen 5G bis 12G, 2005, 5.

(33) Fink, G. / Maier, F., Konkrete Fachdidaktik Latein - L2, München 1996, 56.

(34) Das ist beispielsweise der Fall in dem Lehrwerk Actio (Actio 1, hrsg. v. M. Holtermann / I. Meyer-Eppler, Leipzig u.a. 2005 (Klett)), in dem ein Methodenkapitel „Übersetzen mit Methode“ nach Lektion 10 eingefügt ist. Diese Lektion wird gewöhnlich am Ende des ersten oder zu Beginn des zweiten Lernjahres erreicht.

(35) Fuhrmann, M., Die gute Übersetzung, AU 35,1 (1992), 4-20, 5. Fuhrmann plädiert jedoch gerade in Bezug auf „Normale Texte“ (keine Kunstprosa) für eine zielsprachenorientierte Übersetzung.

(36) Vgl. Paradies / Linser / Greving (2007), 27.

(37) Der genaue Ablauf der Reihe wird in Kapitel 4 beschrieben. Ein kurzer Überblick findet sich zu Beginn von Kapitel 2.

(38) Ich verwende den Begriff „Kompetenz“ hier im Sinne der Definition von Weinert, die sich in den letzten Jahren weitestgehend durchgesetzt hat. Demnach sind Kompetenzen „… die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können. Kompetenz ist nach diesem Verständnis eine Disposition, die Personen befähigt, bestimmte Arten von Problemen erfolgreich zu lösen, also konkrete Anforderungssituationen eines bestimmten Typs zu bewältigen. Die individuelle Ausprägung der Kompetenz wird von verschiedenen Facetten bestimmt: Fähigkeit, Wissen, Verstehen, Können, Handeln, Erfahrung, Motivation.“ Vgl. Weinert, F. (Hg.), Leistungsmessungen in Schulen, Weinheim 2001, 27.

(39) Vgl. Paradies / Linser / Greving (2007), 15 und  36.

(40) Vgl. Bohl, T., Prüfen und Bewerten im Offenen Unterricht, Weinheim und Basel 2004, 42f. Wie der Titel des Buches verrät, vertritt Bohl jedoch die Gegenposition und zeigt in seinem Werk exemplarisch Bewertungskriterien für Offenen Unterricht auf.

(41) S. Anhang.

(42) Beispiele für von Schülern ausgefüllte Evaluationsbögen befinden sich im Anhang.

(43) Die Notwendigkeit einer exakten Diagnose unterstreicht Thomas Doepner (AU 1, 2008, 14-22), der ebenfalls kompetenzorientierte Selbstdiagnosebögen entwickelt, die sich aber vorwiegend auf das Lernverhalten der SuS und weniger auf ihre Fachkompetenz konzentrieren.

(44) Drei- und einendige Adjektive der i-Deklination werden neu gelernt. Zweiendige sind bereits bekannt.

(45) Hinzu kommen die i-Stämme der konsonantischen Deklination.

(46) Vgl. Ziener (2006), 33.

(47) Es wäre wohl konsequenter gewesen im Sinne der Kompetenzorientierung, in den beiden letzten Aufforderungen des Fragebogens ebenfalls die 1. Pers. Sg. zu verwenden und zu schreiben: „In diesem Bereich bin ich mit meiner Leistung zufrieden“ und „In diesem Bereich will ich mich auf jeden Fall verbessern.“

(48) Ausgefüllte Schülerexemplare befinden sich im Anhang.

(49) „Was ich mir für heute vornehme.“

(50) „Was mir heute besonders aufgefallen ist“,  „was mir heute gut gelungen ist“ und  „was ich das nächste Mal verbessern will.“

(51) Vgl. Ziener (2006), 93.

(52) Dass dies tatsächlich der Fall ist, zeigt die Besprechung der Durchführung.

(53) Dass die Zeit zu knapp bemessen war, wird in Kapitel 4.2 diskutiert.

(54) Selbstevaluationsbogen und Lerntagebücher wurden in einem gesonderten Hefter aufbewahrt, der in jeder Freiarbeitsphase hervorgeholt wurde. Ich forderte die SuS auf, sich jeweils das letzte Lerntagebuch anzuschauen.

(55) Vgl. Vierlinger, R., Leistung spricht für sich selbst. Direkte Leistungsvorlage (Portfolios) statt Ziffernzensuren und Notenfetischismus, Heinsberg 1999.

(56) Kriterien der Bewertung sind nicht Einstellungen und Haltungen, „sondern die Fähigkeit der Wahrnehmung von Menschen, Gruppen und Prozessen; die Dokumentation von Erfahrungen und ihre Verarbeitung, kurz: die Fähigkeit zur Reflexion.“ Vgl. Ziener (2006), 91f.


                                     Pegasus-Onlinezeitschrift VIII/2 (2008), 52
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(57) Bei wiederholtem Einsatz würde ich eine Bewertung nach klar definierten Kriterien (beispielhaft scheinen mir Zieners Kriterien (Fußnote)) in Erwägung ziehen, weil das Lerntagebuch grundsätzlich eine differenzierte Bewertung von Schülerleistungen ermöglicht.

(58) Beim Erstellen der Arbeitsblätter wurde auf andere Lehrwerke (insbesondere Salvete (Cornelsen) und Actio (Klett)) und Zusatzmaterialien wie die mentor Lernhilfe Latein des Langenscheidt-Verlages zurückgegriffen.

(59) Ich verwende im Folgenden die Terminologie von Paradies, Linser und Greving (2007, 75-77) zu multiplen Intelligenzen.

(60) Vgl. Kapitel 4.2.

(61) Vgl. Stock, F., Selbständig aus Fehlern lernen, AU 48, 2-3 (2005), 38-44.

(62) Das Arbeitsblatt befindet sich im Anhang.

(63) „Vgl. Actio 1, hrsg. v, M. Holtermann / I. Meyer-Eppler, Leipzig u.a. 2005 (Klett), 69.

(64) Vgl. Salvete (2007), 49f.

(65) Darüber waren die SuS zuvor informiert worden.

(66) Die Selbstevaluation dieses Schülers, der nach meiner Einschätzung ein guter Schüler ist, fiel sehr kritisch aus. Er forderte zu fast allen Bereichen Übungsmaterialien an.

(67) S. Kapitel 3.3.

(68) Diese befinden sich im Anhang.

(69) Auch dass Corinne Zwischennoten einführt, könnte man als Zeichen dafür ansehen, dass sie unsicher ist und Zweifel an ihrer Leistung hat.

(70) Das setzt sie tatsächlich um, wie ihr Lerntagebuch zeigt, das sich ebenfalls im Anhang befindet.

(71) Das lässt sich durch den oben erwähnten Umstand erklären, dass die Zeiten in der nächsten Arbeit vorkommen sollten.

(72) Aus terminlichen Gründen (ausgefallene Unterrichtsstunden und Klassenarbeit) war es nicht möglich, zumindest die erste Freiarbeitsphase in eine Doppelstunde zu legen, wie ich ursprünglich geplant hatte. Das hätte den Beginn zu weit nach hinten verschoben.

(73) Das Informationsblatt zur Textvorerschließung bezieht sich auf die ersten beiden Teilbereiche des Evaluationsbogens. Um sich im Teilbereich 5, dem Erkennen der Wortarten, zu verbessern, habe ich die Arbeitsblätter zur Substantiv- und Verbbestimmung und Wortschatzarbeit empfohlen.

(74) Vgl. Anhang. Ich sammelte die Lerntagebücher nach dem Ende der Reihe ein, um deren Verlauf beschreiben und beurteilen zu können.

(75) Häufige Sätze sind dabei „Können wir heute mal was spielen?“ oder „Das sind viel zu viele Aufgaben, die schaffen wir nie“, auch wenn die Arbeitszeit mit Sicherheit ausreichend ist.

(76) Sarah war bei einer Stunde der Reihe nicht da. Es ist daher ihr zweites Lerntagebuch.

(77) Vgl. das Lerntagebuch Fabiennes im Anhang.

(78) Diese Variante hatte ich in früheren Unterrichtsstunden mit Selbstkontrolle eingesetzt.

(79) Dass das Lerntagebuch in sich nicht kohärent ist, soll an dieser Stelle keine Rolle spielen.

(80) Anders wäre der Fall in der Lektürephase, wenn in der Zwischenzeit kein neuer Stoff hinzu kommt. Dann könnte am Ende der Reihe eine Übersetzung und eine erneute Selbstevaluation mit denselben Fragen stehen.

(81) Die Stellungnahmen, auf die ich im Folgenden näher eingehe, befinden sich im Anhang.

(82) Stephanie hat ihre Bewertung ohne Namen abgegeben.

(83) Max F. ist ein sehr leistungsstarker und selbstbewusster Schüler, dem Lernen im Allgemeinen sehr leicht fällt. Für ihn ist es nur schwer nachvollziehbar, warum man Zeit damit verbringen sollte, sich besondere Lerntechniken und -methoden anzueignen. Seine Aussage zu Methoden des Vokabellernens lautete: „Ich les die einmal durch und dann kann ich die.“ Er kann jedoch nicht Maßstab für die übrigen SuS sein.

(84) Bei Pascal scheint eine Vermischung von Lerntagebuch und Arbeitsblättern vorzuliegen. Denn Lerntipps befanden sich nur auf den Arbeitsblättern. Lisa scheint mit ihrer Beurteilung zum Lerntagebuch wohl die Selbstevaluation und das Tagebuch zu meinen.

(85) Vgl. Pfeifer / Kriebel (2007), 41.

(86) Vgl. die Ausführungen zur intrinsischen Motivation (Kapitel 2.2).

(87) Eine neue Selbstevaluation scheint mir dann sinnvoll zu sein, wenn genügend neuer Lernstoff behandelt wurde und wenn die SuS genügend Zeit hatten, an ihren Problemen etwas zu ändern – nach meiner Einschätzung wäre das ungefähr zwei Mal pro Halbjahr sinnvoll.