zurück     |       |   Seite drucken    

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 72

Ronny Kaiser und Martin Gloss

Munera Gladiatoria – eine Unterrichtsreihe für die Martial-Lektüre


I. Einleitung

„Als Schande muss man […] das bezeichnen, was in den römischen Zirkusarenen geschah, wenigstens soweit es die Gladiatorenspiele (munera gladiatoria) betraf. Wahrscheinlich wären die Nerven eines modernen Zuschauers dem Anblick von Gladiatorenspielen nicht gewachsen; denn die Kämpfe, die sich die in den Kasernen gehaltenen, gut trainierten und gewöhnlich aus dem Sklavenstand stammenden Männer lieferten, waren echt.“(1)

Mit dieser Wertung und recht kühnen These schlägt Winfried Sieberg einen Graben zwischen die antike und moderne Kulturauffassung von Gewalt, die den modernen Menschen moralisch von der „Barbarei“ der Antike abheben soll. Dabei verkennt er offensichtlich die Aktualität, die dieses Thema mit sich bringt, denn Gewalt dient auch heute noch zur Massenunterhaltung: Ein Horrorfilm übertrifft den nächsten an Grausamkeit und Realitätsgehalt und zieht die Zuschauer massenweise in seinen Bann, Stierkämpfe werden noch immer abgehalten, die Stadt Pamplona zieht mit ihrem hochberühmten Stierrennen zahllose Touristen an, Kampfsportveranstaltungen wie Boxen oder Wrestling begeistern Menschen in der ganzen Welt. Gewalt hat also offensichtlich nichts von ihrer Faszination eingebüßt, und tatsächlich steht die Moderne der Antike hinsichtlich der Inszenierung von Gewalt kaum in etwas nach, ja übertrifft sie vielleicht sogar.

Es besteht jedoch auch ein gravierender Unterschied zwischen antiker und moderner Zurschaustellung von Gewalt, denn während sie heute ausschließlich der Unterhaltung dient, war sie in der Antike ebenfalls und in besonderem Maße eine Veranstaltung zum Zwecke der Repräsentation und Propaganda.

Die munera gladiatoria waren professionelle Schwert- und Tierkämpfe, die bei den Etruskern ursprünglich in Wettspielen bei Leichenfeiern als Ersatz für die früheren Menschenopfer dienten. Diese Kämpfe wurden zunehmend professionalisiert und in Privatveranstaltungen abgehalten. Ungefähr ab 100 v. Chr. wurden sie dann auch öffentlich zugänglich und als Volksbelustigung inszeniert.

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 73
Linie

Gegen Ende der Republik verschwanden sie zwischenzeitlich von der Bildfläche, da sie zu hohe Kosten mit sich brachten. Erst in der Kaiserzeit wurden sie wieder und mit immensem Aufwand durch Kaiser und hohe Beamte tagelang durchgeführt. Die Gladiatorenkämpfe, wie wir sie heutzutage aus Filmen und Abbildungen vor Augen haben, entsprechen ungefähr denen der Kaiserzeit. Die Kämpfer wurden aus Sklaven, Kriegsgefangenen, Armen, verurteilten Verbrechern und später auch Christen rekrutiert. Vereinzelt betätigten sich sogar Adlige als Gladiatorenkämpfer, da erfolgreiche Kämpfer in hohem Ruhm und Ehre standen. Im vierten und fünften Jahrhundert, vor allem durch den zunehmenden Einfluss des Christentums, verschwanden die munera gladiatoria weitestgehend.(2)

Ziel dieser Unterrichtseinheit ist es, den Schülern einen allgemeinen Überblick über die Gladiatorenspiele zu geben und nach Möglichkeit nicht nur historische Fakten zu präsentieren, sondern ihnen auch die Bedeutung und den Reiz dieser Veranstaltung für die Römer zu vermitteln. Unser Unterrichtsplan sieht dabei vor, dass dieses Thema über einen Zeitraum von ungefähr vier Wochen behandelt wird, und wir gehen davon aus, dass die Lektüre aufgrund des Schwierigkeitsgrades der Texte eher in der Oberstufe betrieben wird. Da die Rahmenpläne von Bundesland zu Bundesland zum Teil stark variieren, kann die hier vorgeschlagene Unterrichtsreihe nicht auf eine bestimmte Jahrgangsstufe festgelegt werden. Es liegt also im Ermessen des Lehrers, ob die jeweilige Klasse oder der jeweilige Kurs den sprachlichen und inhaltlichen Herausforderungen des Themas gewachsen sind.

Die Anordnung der Stundenthemen wurde so gestaltet, dass die Schüler aus der Struktur eine grobe Vorstellung davon bekommen, wie der allgemeine Tagesablauf im Amphitheater vonstatten ging, nämlich beginnend mit der Tierhetze, danach die mittäglichen Hinrichtungen und schließlich die Gladiatorenkämpfe; als letztes wird auch noch die Sonderform der Seeschlacht behandelt. Diesem Tag der munera gladiatoria wird die Entstehung der Gladiatorenspiele vorgeschaltet, sowie die Geschichte und Funktionsweise des Kolosseums als berühmtestem Veranstaltungsort der Spiele betrachtet. Zur Komplettierung des Themas werden abschließend die politische und kulturelle Bedeutsamkeit, die philosophisch-moralische Kritik sowie eine anthropologische Interpretation der munera herangezogen, die den Schülern ein möglichst ausgewogenes und umfassendes Bild dieses so wichtigen Teils des römischen Lebens verschaffen sollen. Am Ende des Artikels findet sich eine kurze Auswahlbibliographie, die dem Lehrer einen möglichst schnellen Zugang zum Themenkomplex der munera gladiatoria gewähren soll.

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 74
Linie

Im Anschluss an die Texte wird zur leichteren Vorbereitung des Lehrers ein kurzes Glossar mit technischen Vokabeln und Spezialausdrücken zur Verfügung gestellt. Dadurch ist der Lehrer jedoch nicht davon befreit, gegebenenfalls einen auf das jeweilige Niveau seiner Schüler zugeschnittenen Kommentar anzufertigen, da er seine Schüler und deren individuelle Ansprüche besser einzuschätzen vermag. Bei eventuellem Zeitmangel oder textlichen Schwierigkeiten wäre es auch denkbar, den Schülern einen Text als Lückentext oder in Übersetzung vorzulegen und mit dem lateinischen Original zu vergleichen. Denn selbst beim Parallellesen muss übersetzt werden, müssen Konstruktionen erkannt und Wortbedeutungen überprüft werden.

Dieser Lektüreplan ist nicht als unabänderliches Diktat gedacht, sondern soll vielmehr als Vorschlag verstanden werden. Wir haben daher den Unterrichtsplan in vier Einheiten aufgeteilt, um dem Lehrer mehr Freiheit und Flexibilität zu gewähren, als dies eine Einteilung nach Unterrichtsstunden zuließe. Er kann so in dem Tempo voranschreiten, das seinen Gegebenheiten und dem Klassenniveau entspricht. Er kann die Texte wählen, die er für wichtig und seiner Klasse angemessen erachtet,  und entscheidet selbst, ob er z.B. alle der durchaus zahlreichen Videos in seinen Plan integriert oder gar keines. Dieser Aufsatz soll lediglich Optionen aufzeigen, wie die jeweilige Thematik gestaltet und die Unterrichtseinheit aufgelockert werden kann. Die Auswahl liegt selbstverständlich beim Lehrer.

 

II. Lektüreplan

1. Einheit: Einführung und Hintergründe

Schulunterricht soll im günstigsten Fall den Schülern nicht nur enzyklopädisches Wissen vermitteln, welches über kurze Zeit oder bei Bedarf abrufbar ist, sondern sollte Informationen kognitiv verankern und mit anderen Aspekten verknüpfen. Ferner sollten Lerninhalte nicht als losgelöst von der Welt der Schüler erscheinen, was besonders beim Lateinunterricht leicht passieren kann, sondern sollten, wenn möglich, mit modernen Bezügen ergänzt werden, um so die aktuelle Relevanz des Themas deutlich zu machen. Schüler wollen wissen, warum sie lernen, was ihnen der Lehrer vorsetzt. Was also haben Gladiatorenkämpfe mit unserer Zeit zu tun? Welchen Wert hat es für uns im 21. Jahrhundert, dieses „barbarische“ Freizeitvergnügen der Römer von vor 2000 Jahren zu betrachten und zu erörtern?

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 75
Linie

Diese Frage soll sogleich in der ersten Stunde aufgeworfen und zumindest teilweise beantwortet werden. Gleichzeitig soll das Interesse der Schüler entfacht und ein Rahmen für die Unterrichtseinheit bereitet werden. Um diese Ziele zu erreichen, kann der Lehrer in der ersten Stunde auf die Rolle blutrünstiger Horror- und Actionfilme zu sprechen kommen, die aus unserer Alltagskultur bei entsprechendem Fernsehen- und Videokonsum nicht mehr wegzudenken sind. Hierbei können verschiedene Aspekte angesprochen werden: Wie reagieren die Schüler beim Anblick (filmischer) Gewalt? Verhalten sich Jungen anders als Mädchen? Sind sie begeistert, wenn Blut spritzt, oder wenden sie voll Ekel den Blick ab? Weckt Gewalt möglicherweise auch heute noch eine Art Faszination in uns? Um den Schülern den Bezug zu den Gladiatorenspielen leichter zu machen, kann der Lehrer auch, die modernen Filme kontrastierend, Abbildungen von antiken Mosaiken zeigen, die ebenso blutige Kampfesszenen, Hinrichtungen oder Opfer darstellen. Für diese Diskussion sollten ca. 5 bis 10 Minuten ausreichen, da die letzten Stunden der Unterrichtseinheit auf dieses Thema zurückführen werden. Der Lehrer kann also beizeiten das Gespräch auf die Gladiatorenspiele als eine Art Vorgänger der blutrünstigen Filme lenken und mögliches Vorwissen der Schüler diesbezüglich zusammentragen. Wer hat an den Spielen teilgenommen, was gehörte dazu, weshalb waren sie wichtig, wann und wo fanden sie statt?

So kann der Lehrer eine gute Überleitung zum Kolosseum schaffen, das als größter und bedeutendster Austragungsort der Gladiatorenspiele unbedingt behandelt werden muss. Es eignet sich außerdem besonders als Einstieg, da den Schülern sehr wahrscheinlich zumindest das Bild vertraut ist und von seiner Faszination bis heute nichts eingebüßt hat. Dabei bietet es sich an, den Aufbau und die Raffinesse dieses unvergleichlichen Amphitheaters anhand eines Filmausschnitts zu zeigen (z.B. auch fächerübergreifend den Abschnitt über das Kolosseum in „Rome, Engineering an Empire“ vom History Channel). In Animationen und bewegten Bildern ist dieses Bauwerk doch unvergleichlich beeindruckender und fesselnder als auf Zeichnungen oder aktuellen Fotos. Die Filmsequenz sollte nicht länger als 10 Minuten sein und könnte mit dem Ausfüllen eines Arbeitsblattes komplettiert werden. Gegebenenfalls können am Ende der Filmsequenz einige Ergänzungen gemacht oder anderweitige Hinweise geben werden.

Nach diesem inhaltlichen Einstieg kann der Lehrer nun auch den formalen Einstieg wagen. In den folgenden Stunden wird hauptsächlich mit Epigrammen von Martial gearbeitet werden, was eine Wiederholung oder gegebenenfalls eine kurze Einführung zur Metrik erfordert. Um bei dem eben behandelten Gegenstand zu bleiben, könnte dies anhand des folgenden Martialzitats zum Kolosseum geschehen: „Omnis Caesareo cedit labor Amphitheatro, // unum pro cunctis fama loquetur opus.“ (Martial, De Spec. 1,7-8).

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 76
Linie

In der folgenden Stunde kann nun mit einem längeren Stück Originallektüre begonnen werden. Wie bereits angekündigt, stützt sich diese Unterrichtsreihe stark auf Martial, und so wäre es sicher eine gute Idee, am Anfang der Stunde ein zuvor vergebenes, kurzes Schülerreferat zum Autor halten zu lassen. Im Anschluss wird Martials Epigramm 2 aus De Spectaculis übersetzt. Dieses bietet sich besonders an, da es sowohl Hinweise auf die Ursache des modernen Namens für das Flavische Amphitheater gibt, als auch die geschichtliche Situierung sowie die politische Bedeutung des Bauwerkes erklärt. Mögliche Impulse Lehrers können dabei den Fokus einerseits auf die sprachliche Gestaltung des Epigramms lenken; andererseits aber sollte insbesondere die politische Bedeutung des Kolosseums in Verbindung mit seinem Bauherren Beachtung finden, da der politische Kurswechsel nicht nur mit dem Kolosseum einhergeht, sondern durch dieses visualisiert bzw. symbolisiert wird.

Im weiteren Verlauf der Unterrichtsreihe erscheint es durchaus nützlich, sich den Ursprüngen der munera gladiatoria zu widmen und Tertullian als weiteren Autor in die Einleitungsphase der Unterrichtsreihe mit aufzunehmen. Es ist darauf hinzuweisen, dass wir Tertullian aber nicht als Pflichtlektüre dieser Unterrichtsreihe ansehen. Er stellt vielmehr eine Art Zusatzangebot dar, auf welches zurückgegriffen werden kann. Die Informationen zur Entstehung der munera gladiatoria können gegebenenfalls auch vom Lehrer auf einem Informationsblatt oder durch ein Schülerreferat sichergestellt werden. Das frühe Einführen eines zweiten Autors sowie die entstehende Anachronie können auf Grund der besonderen Eignung des Textes in Kauf genommen werden. Tertullian beschreibt in seinem Werk De Spectaculis – vor dem Hintergrund christlich-moralischer Wertevorstellungen – die Anfänge der munera gladiatoria. So kann dieser Text trotz seines spätantiken Verfassers durchaus am Anfang dieser Unterrichtsreihe stehen. Dennoch müssen die Schüler freilich für die Übersetzung und Interpretation einerseits auf den nicht unbeträchtlichen Zeitsprung aufmerksam gemacht werden, andererseits auf die Konfession des Autors und seine Intention beim Verfassen des Textes.

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 77
Linie

Für die Lektüre wurden die Absätze 1-4 ausgewählt, worin Tertullian sehr anschaulich die Ursprünge der munera und einige ihrer Bestandteile beschreibt. Der Ton des Textes weist besonders auf die Grausamkeit der Spiele hin und zeigt Tertullians Ablehnung. Der gewählte Abschnitt ist mit 113 Wörtern länger als das Epigramm der vorangegangenen Stunde. Doch da Sprache und Stil hier nicht allzu kompliziert sind, sollte der Text dennoch mit etwas Hilfe oder durch Gruppenübersetzung in geeigneter Zeit übersetzt werden können. Denkbar wäre auch, den Schülern eine Übersetzung mit Lücken vorzulegen, die diese dann selbständig ausfüllen.

 

2. Einheit: Die Spiele und ihre Bestandteile

Nachdem eine allgemeine soziohistorische Einbettung der Thematik stattgefunden hat, kann nun auf den tatsächlichen Ablauf der Spiele eingegangen werden. Daher kehren wir nun wieder zum „Hauptautor“ Martial zurück. Der Ablauf der folgenden Stunden soll gewissermaßen dem Ablauf eines Tages der Spiele gleichen. So befinden wir uns in dieser Stunde sozusagen am Anfang der munera und betrachten also den morgendlichen Teil, die venationes. Um den Schülern den Inhalt bzw. die Bestandteile und Besonderheiten der Hetzjagd nahezubringen, können die Epigramme 18, 5 und 6b, nun wieder aus Martials De Spectaculis, gelesen werden. Das Epigramm 18 beschreibt einen Kampf zwischen Tiger und Löwe – wie so oft bei den Spielen eine Konstellation, die in freier Wildbahn so nicht vorkommt. Aus dem Epigramm 5 erfahren die Schüler, dass besonders gern mythische Ereignisse nachgespielt werden, und im Epigramm 6b schließlich berichtet Martial von einer venatrix, der selbst die Darstellung des Herkules erlaubt war.

Bei der Lektüre dieser Texte können noch einmal die ungewöhnlichen Aspekte betont werden, die die Menschen des Altertums offenbar so faszinierten. Denn nicht das Alltägliche wird hier realisiert und zur Schau gestellt, sondern unnatürliche Konstellationen, Mythenerzählungen und eine nach antiker Auffassung unübliche Rollenverteilung. Freilich kann dies nicht als Regel deklariert werden, sondern eher als herausragende Momente. Es bietet hier sich an, auch auf die Moderne zu verweisen: Womit werden heutzutage Menschen ins Kino oder in den Zirkus gelockt? Andererseits ist vom Lehrer zu thematisieren, dass es sich bei den Extravaganzen auch um politische Repräsentationsmechanismen des jeweiligen Beamten handelt, der die Spiele veranstalten ließ – in der Kaiserzeit war dies der Kaiser. Der Vollständigkeit halber sollten aber auch die weniger blutigen Kunststücke erwähnt werden, die die bestiarii mit Tieren durchführten (vgl. Seneca, Ep. XI-XIII, LXXXV, 41).

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 78
Linie

Auf die Tierkämpfe und Mythendarstellungen des Morgens folgen nun, zur Mittagszeit, die Hinrichtungen. Eine solche wird in Form einer damnatio ad bestias sehr bildhaft in Martials Epigramm 7 aus De Spectaculis dargestellt: Der Verurteilte wird an ein Kreuz gebunden, und sein Körper wird einem Bären zum Reißen dargeboten. An dieser Stelle ist es ebenfalls möglich, ein wenig Zeit für die Besprechung wenigstens eines der zahlreichen Mosaike einer solchen Hinrichtung zu lassen. Diese Bilder schaffen nicht nur Abwechslung und Auflockerung, sondern unterstreichen auch die Authentizität der textlichen Darstellung und vervollkommnen diese.

Der Lehrer kann mithilfe einiger Bilder auf die einfallsreich-absurde Vielfalt der Hinrichtungsmöglichkeiten im Rahmen der venatio hinweisen, wie zum Beispiel die munera sine missione, wobei Verurteilte mit Schwertern gegeneinander kämpfen mussten, doch niemand die Arena lebend verlassen sollte. Im Klassengespräch kann auf einen solch sadistischen Umgang mit Verurteilten eingegangen sowie die Rolle der öffentlichen Hinrichtung bis in die heutige Zeit thematisiert werden. Hierbei kann im Besonderen auf das Henken auf dem Marktplatz im Mittelalter und die Ausstrahlung von Hinrichtungen im US-amerikanischen Fernsehen hingewiesen werden. Der Lehrer sollte bei der anschließenden Interpretation des Textes die Impulse jedoch so setzen, dass die Schüler sich vom antiken Kontext nicht allzu weit weg bewegen. Wichtig und interessant erscheint doch vor allem einerseits die Verbindung von voyeuristischer Faszination und inszenierter Bestrafung, andererseits aber auch die kulturelle und politische Situierung dieses Schauspiels.

Mit dieser Stunde wird der letzte Teil der Spiele erreicht, in dem nun endlich die Gladiatoren auftreten. Hierfür wurde das Epigramm Nummer 29 aus De Spectaculis ausgewählt. Darin berichtet Martial von einem Zweikampf, in welchem beide Gladiatoren als Sieger hervorgehen, obwohl die Regeln etwas anderes verlangt hätten. Bei der Interpretation des Epigramms sollten noch einmal die genauen Regeln und der Ablauf eines Gladiatorenkampfes besprochen werden. Es sollte auch auf das zeremonielle Prozedere hingewiesen werden, das zu den eigentlichen Kämpfen hinführt, also auf den Einzug und die Präsentation der Gladiatoren sowie den Schaukampf (prolusio). Darüber hinaus können die verschiedenen Gladiatorenarten (hauptsächlich retiarius und secutor sowie thraex, hoplomachus und murmillo), ihre Waffen sowie ihre Rüstung thematisiert werden. Anschließend könnten die Schüler Gladiatoren auf antiken Darstellungen bestimmen.(3)

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 79
Linie

Als audiovisuelle Unterstützung bzw. Ergänzung zu diesem Epigramm ist das BBC Doku-Drama „Colosseum: Arena des Todes“ durchaus empfehlenswert. Der aufwendig produzierte Film erzählt den Lebensweg eines Gladiators namens Verus und betrachtet vor diesem Hintergrund vor allem das Leben und die Ausbildung von Gladiatoren, aber auch den Bau des Kolosseums. Die Schüler erfahren ebenfalls noch einmal, welche Gladiatorentypen gegeneinander gekämpft haben, und dass keineswegs bei jedem Kampf ein Gladiator sterben musste. Etwas problematisch an dieser Dokumentation ist jedoch, dass sie mit 50 Minuten sehr lang ist. Er nähme also eine ganze Stunde ein, wobei man sogar noch einige Teile überspringen müsste. Darüber hinaus ist die Struktur durch die verschiedenen Sprecher, die nicht immer leicht unterschieden werden können, gelegentlich schwer zu verfolgen. Doch mit einer kurzen vorbereitenden Einleitung oder Lehrerhinweisen könnte dieses Problem leicht behoben werden.

Das Epigramm 29 eignet sich besonders gut, weil es mit dem Vorurteil, dass jeder Gladiatorenkampf mit dem Tod eines der beiden Kämpfer endete, aufräumt. Gleichzeitig stellt es aber auch keinen Normalfall dar. Der Lehrer sollte daher unbedingt darauf bedacht sein, auf diesen Umstand hinzuweisen oder aber die Interpretations- und Diskussionsvorgänge dahin zu lenken. Ebenfalls kann aus dem übersetzten Text erarbeitet werden, dass es eine offensichtliche  Faszination von (inszenierter) Gewalt für die antiken Zuschauer gab, die sich an der Vorstellung einer Kampfes von ebenbürtigen Gegnern orientierte, und daher nicht unbedingt eine klare Unterlegenheits- bzw. Überlegenheitssituation zweier der an den Spielen teilnehmenden Parteien, wie bei den venationes, präferierte. In diesem Zusammenhang können durchaus auch wieder moderne Anknüpfungspunkte durch den Lehrer in die Diskussion eingeführt werden, wie beispielsweise das Boxen, Wrestling und das sogenannte K-1, die allesamt ein breites Publikum anziehen und Zeugnis über die moderne Faszination von Brutalität und Kampf ablegen.

Als Nachtrag zu den munera kann auch die naumachia Erwähnung finden, die eine Besonderheit und die kostspieligste Form des Gladiatorenkampfes darstellt. Auch hier gilt das, was wir zu Tertullian bemerkt haben: Die Naumachia kann, muss aber nicht in das Unterrichtsgeschehen Eingang finden. Sicherlich wäre es aber ein höchst interessanter und für die Schüler spannender Punkt, da diese Ereignisse (so sie denn wirklich stattfanden) auch in der Antike größtes Aufsehen erregten. Für die textliche Einbindung schlagen wir Martials Epigramm 24 aus De Spectaculis vor. Darin wird vor allem die erstaunliche Leistung, ein Seegefecht im Amphitheater zu führen, in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt.

Um den Inhalt des nur drei Distichen zählenden Epigramms zu vervollständigen, kann wiederum eine kurze Filmsequenz zum Kolosseum vorgeführt werden, wo solche naumachiae wohl stattgefunden haben.

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 80
Linie

Möglich ist auch hier ein zweiter Ausschnitt der bereits erwähnten Dokumentation des History Channels „Rome – Engineering an Empire“. In nur drei Minuten wird hier die Technik erläutert, die die Flutung des Bodens ermöglicht haben könnte, und es werden Forschungsergebnisse präsentiert, die diese Theorie untermauern. Statt des Films kann aber auch ein Schülerreferat mit Illustrationen die Funktionsweise des Kolosseums zeigen.

Obgleich sicher gerade dieser Aspekt einen großen Reiz auf die Schüler ausüben und Interesse wecken wird, sollten weniger die technischen Details und die genaue Funktionsweise, als vielmehr die Wirkung und Wirkungsabsicht, die von einem solchen Spektakel ausging, mit den Schülern besprochen werden. Im Zentrum der Interpretation sollte daher auch hier sowohl die Beziehung des Kaisers zum Publikum als auch die Funktionalisierung solch qualitativ hochwertiger Ereignisse zu Repräsentationszwecken stehen.

 

3. Einheit: Soziokulturelle Bedeutung

Grab 19 bei der Porta Nocera (CIL IV 10237)
MUNUS NOLAE DE QUADRIDU(o) M COMINI HEREDI(s)
PRI(n)CEPS NER(oniarus) (pugnarum) XII (coronarum) X (?) V(icit)
HILARUS NER(oniarus) (pugnarum) XIV, (coronarum) XII, V(icit)
CREUNUS pugnarum) VII, (coronarum) V, M(issus)
Spiele in Nola über 4 Tage von Marcus Comenius Heres gegeben. Hilarus, von Neros Fechtschule, 14 Kämpfe, 12 Siegeskränze, Sieger. Creunus 7 Kämpfe, 5 Siegeskränze, begnadigt. Princeps, von Neros Fechtschule, 12 Kämpfe, 10 (?) Siegeskränze, Sieger.

Nachdem nun also der Tag der Spiele abgeschlossen ist, sollen in den folgenden Stunden einige Besonderheiten rund um die Spiele betrachtet werden. Thema dieser Stunde ist die gesellschaftliche Anerkennung und Verehrung der Gladiatoren, besonders auch in Opposition zu deren eigentlich sehr niedriger sozialer Stellung. Zur Lektüre dient das Epigramm 24 aus dem fünften Buch der Epigrammata Martials; es handelt sich hierbei um eine Lobeshymne auf den Gladiator Hermes. Die Länge des Epigramms beträgt zwar fünfzehn Verse, doch sind diese sehr kurz und nicht kompliziert; die Übersetzung sollte also nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen.

Bei der Interpretation sollte der Lehrer die Impulse so setzen, dass die Schüler auf den „Starkult“ um Gladiatoren zu sprechen kommen. Moderne Bezüge finden sich hier in allen Sportarten. Diese augenscheinliche Parallele sollte jedoch nicht nur in den gewaltlosen Sportarten gesucht werden. Eine mögliche Verwurzelung findet sich in der bis heute existent gebliebenen Faszination für Kampfsportereignisse, deren harmlosester Ausdruck wohl das Boxen ist. Auch die Verherrlichung von Aggression und Gewalt beim amerikanischen Wrestling und die immense Fangemeinde, die diese „Kämpfer“ haben, bezeugen die Aktualität und Relevanz dieses Themas bzw. der Antike als solcher.

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 81
Linie

Als Zusatz und zur visuellen Untermalung des besonderen Status der Gladiatoren können ebenfalls einige der zahlreichen antiken Darstellungen oder Graffiti-Erwähnungen von Gladiatoren gezeigt und besprochen werden (z.B. CIL IV 8055 / 10237 / 10221).

Nachdem bereits einige antike Graffiti gezeigt wurden, kann nun die Werbung für Gladiatorenspiele betrachtet werden, z.B. anhand des CIL IV 3884. Die erste Hürde hierbei ist die Entzifferung desselben, um die enthaltenen Informationen extrahieren zu können. Dies bedarf natürlich der Hilfe des Lehrers, doch ist es eine gute Herausforderung für die Schüler, weil sie so mit der Schwierigkeit des Lesens von Inschriften vertraut gemacht und vielleicht sogar mit einigen Fertigkeiten ausgestattet werden. Da für gewöhnlich im Lateinunterricht keine Paläographie betrieben wird, kann eine solche Entschlüsselungsaufgabe nicht nur große Schwierigkeiten bereiten, sondern den Schülern mit etwas Hilfestellung gleichzeitig viel Spaß machen. Nachdem diese Aufgabe bewältigt ist, wird erörtert, welche Informationen solche „Werbeplakate“ normalerweise enthalten und warum. Es sollten auch alternative Formen der Werbung und Bekanntmachung, z.B. für Analphabeten, zumindest Erwähnung finden. Ein möglicher Anknüpfungspunkt zur Moderne wären beispielsweise Abbildungen von Werbeplakaten, die ein großes sportliches Ereignis, ein Turnier oder einen Kampf ankündigen. Dieser könnte dann mit seinem antiken Pendant verglichen werden.

D(ecimi) LVCRETI(i) / Satri Valentis flaminis Neronis Caesaris Aug(usti) fili(i) / perpetui gladiatorum paria xx et D(ecimi) Lucretio Valentis fili(i) / glad(iatorum) paria x pug(nabunt) Pompeis vi v iv iii pr(idie) Idus Apr(iles) venatio legitima /et vela erunt
rechts: Scr(ipsit) Aemilius Celer sing(ulus) ad luna(m)
im C: Scr(ipsit) Celer
Corpus Inscriptionun Latinarum IV, 3884
Es werden von Decimus Lucretius Satrius Valens, dem ewigen Flamen Neros, Sohn von Caesar Augustus, zwanzig Gladiatorenpaare und von Decimus Lucretius Valens, seinem Sohn, zehn Gladiatorenpaare in Pompei am 8., 9., 10., 11. und 12. April kämpfen; es wird eine regelkonforme Hetzjagd und ein Sonnensegel geben. Dies hat Aemilius Celer allein beim Mondschein geschrieben.

Ein zentraler Aspekt bei der Ausrichtung der Spiele ist der politische, der nicht unterschlagen werden sollte. Weshalb fanden munera statt und wer bezahlte sie? Einige Antworten und Anstöße zu Diskussionen bietet der Absatz XLV in Petrons Satiricon (als Alternative oder Ergänzung wären auch kurze Textstellen aus Ciceros Pro Sestio 106 oder In Vatinium 37 möglich). Bei diesem Textausschnitt handelt es sich zwar um eine fiktive Unterhaltung, doch veranschaulicht sie sehr gut sowohl die Bedeutung der Spiele für politische Wahlen als auch die gesellschaftliche Erwartungshaltung gegenüber einem solchen Spektakel.

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 82
Linie

Problematisch bei diesem Text ist jedoch seine Länge, weshalb er kaum in einer Stunde übersetzt werden kann. Da Anfang und Ende des Abschnitts von besonderem Interesse sind, könnten einige Zeilen ausgelassen werden, doch wäre er auch so noch immer über 180 Wörter lang. Daher ergeben sich mehrere Möglichkeiten der Handhabung: Eine Verteilung der Übersetzung in Gruppen, eine weitere Kürzung des Textes mit Lehrervortrag, die Darreichung einer Teilübersetzung oder die Arbeit mit einer zweisprachigen Ausgabe. Wichtig ist aber in jedem Falle, die Schüler von vornherein auf Petrons gesellschaftlich-kritischen Stil und seine Neigung zur Parodie hinzuweisen. Da in dieser und der folgenden Stunde jeweils ein neuer Autor verwendet wird, sollte am Anfang der Stunde unter Umständen auch etwas Zeit für eine kurze Einführung desselben aufgewendet werden.

Die Verachtung und Ablehnung des Spektakels der munera ist bereits zu Beginn der Unterrichtseinheit von Tertullian angesprochen worden und soll nun wieder aufgenommen und ausführlicher betrachtet werden. Hierzu soll ein Auszug aus Senecas Epistulae Morales (Ep. I, VII, 3-4) dienen, worin er die Grausamkeit und die für die Seele des Menschen negativen Effekte der Spiele beklagt. Nach der Übersetzung sollte noch genügend Zeit zur Diskussion gelassen werden, wobei auch auf die Gegenwart Bezug genommen werden sollte: Lassen sich beispielsweise ähnliche psychische Schäden am modernen Menschen feststellen, wie sie schon Seneca postuliert? Die Schüler können von Einflüssen berichten, die ein besonders gewalttätiger Film oder sogar gräuliche Bilder aus Nachrichten oder Dokumentationen auf sie hatten oder haben. Bei der Interpretation und Diskussion sollte aus dem Vollen geschöpft werden: Sämtliche modernen Medien, die Gewalt in irgendeiner Weise darstellen – sei es zur Verherrlichung, zur Abschreckung, zur Dokumentation –, ihre Wirkung sowie Wirkungsabsicht sollten hierbei nicht zu kurz kommen. Auch kann die Schaulust des Menschen an sich thematisiert werden.

 

4. Einheit: Zusammenfassung und Abschlussdisskussion

Am Ende dieser Unterrichtsreihe soll noch einmal das Gelernte zusammengefasst und eine Beziehung zur Welt der Schüler hergestellt werden. Eine gute Möglichkeit bietet da wieder eine Filmszene, wie z.B. eine Szene des Gladiatorenspektakels im Kolosseum aus dem Film „Gladiator“. Die Nachstellung der Schlacht bei Zama(4) oder der Zweikampf zwischen Maximus und Tigris von Gallien wären hier geeignete Passagen.(5)

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 83
Linie

Anhand dieser Szenen könnte man noch einmal auf einige Aspekte der letzten Stunden verweisen, wie zum Beispiel die Nachstellung von Mythen, die Waffen der Gladiatoren, weibliche Gladiatoren, das Urteil des Kaisers, Brotverteilung vor den Spielen etc.

Es wäre auch möglich, eine abschließende Bildbetrachtung durchzu-führen. Bei Jean-Léon Gérômes „Pollice Verso“ (1872) kann man auch auf die (teilweise fehlerhafte) Kleidung der Gladiatoren eingehen sowie auf das Urteil, die ungewisse Drehrichtung des Daumens und die Beteiligung des Volkes.


Anschließend soll nun durch eine Diskussion über Hintergründe und Effekte visuell erfahrener Gewalt wieder auf den Beginn der ersten Stunde Bezug genommen und so gewissermaßen der Rahmen der Unterrichtseinheit geschlossen werden. Die Schüler sollen erkannt haben, dass der voyeuristische Reiz der Gewalt keineswegs ein schlicht barbarisches oder altertümliches Phänomen ist, sondern auch heute noch sehr präsent ist. Hier muss man auch nicht bei Gewaltfilmen stehen bleiben. Der spanische Stierkampf ist ein offensichtlicher Nachfahre der Gladiatorenspiele und auch Boxkämpfe und Kampfsport jeder Art sind Teil dieser pathologischen Freude beim Anblick von Gewalt. Wie verhalten sich die Zuschauer bei Schlägereien von Eishockeyspielern? Warum spielen Jugendliche besonders gern Schießspiele auf dem Rechner? Haben diese Dinge einen kathartischen Effekt oder stacheln sie eher auf? Darüber hinaus sollten die Schüler jedoch auch diskutieren, inwieweit sich die Darbietung der Gewalt und die öffentliche Meinung darüber verändert hat.


                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 84
Linie

III. Texte

1. Einheit

Martial, De Spectaculis, Ep. 2
Hic ubi sidereus propius videt astra colossus
     et crescunt media pegmata celsa via,
invidiosa feri radiabant atria regis
     unaque iam tota stabat in urbe domus;
hic ubi conspicui venerabilis amphitheatri
     erigitur moles, stagna Neronis erant;
hic ubi miramur velocia munera thermas,
     abstulerat miseris tecta superbus ager;
Claudia diffusas ubi porticus explicat umbras,
    ultima pars aulae deficientis erat.
reddita Roma sibi est et sunt te praeside, Caesar,
     deliciae populi, quae fuerant domini.

Tertullian, De Spectaculis XII, 1-4
[1] superest illius insignissimi spectaculi et acceptissimi recognitio. munus dictum est ab officio, quoniam officium etiam muneris nomen est. officium autem mortuis hoc spectaculo facere se veteres arbitrabantur, posteaquam illud humaniore atrocitate temperaverunt. [2] nam olim, quoniam animas defunctorum humano sanguine propitiari creditum erat, captivos vel mali status servos mercati in exsequiis immolabant. [3] postea placuit impietatem voluptate adumbrare. itaque quos paraverant, armis quibus tunc et qualiter poterant eruditos, tantum ut occidi discerent, mox edicto die inferiarum apud tumulos erogabant. ita mortem homicidiis consolabantur. [4] haec muneri origo. sed paulatim provecti ad tantam gratiam, ad quantam et crudelitatem, quia ferarum voluptati satis non fiebat nisi et feris humana corpora dissiparentur. quod ergo mortuis litabatur, utique parentationi deputabatur.

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 85
Linie

2. Einheit

Martial, De Spectaculis, Ep. 21 (18), 6 (5), 8 (6b)
21 (18)
Lambere securi dextram consueta magistri
     tigris, ab Hyrcano gloria rara iugo,
saeva ferum rabido laceravit dente leonem:
     res nova, non ullis cognita temporibus.
ausa est tale nihil, silvis dum vixit in altis:
     postquam inter nos est, plus feritatis habet.

 

6 (5)
Iunctam Pasiphaen Dictaeo credite tauro:
     vidimus, accepit fabula prisca fidem.
nec se miretur, Caesar, longaeva vetustas:
     quidquid Fama canit, praestat harena tibi.

 

8 (6b)
Prostratum vasta Nemees in valle leonem
     nobilis Herculeum Fama canebat opus.
prisca Fides taceat: nam post tua munera, Caesar,
     hoc iam feminea vidimus acta manu.

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 86
Linie

Seneca, Ep. XI, LXXXV, 41
Certi sunt domitores ferarum qui saevissima animalia et ad occursum expavescenda hominem pati subigunt nec asperitatem excussisse contenti usque in contubernium mitigant: leonis faucibus magister manum insertat, osculatur tigrim suus custos, elephantum minimus Aethiops iubet subsidere in genua et ambulare per funem. Sic sapiens artifex est domandi mala: dolor, egestas, ignominia, carcer, exilium ubique horrenda, cum ad hunc pervenere, mansueta sunt. Vale.

 

Martial, De Spectaculis, Ep. 9 (7)
Qualiter in Scythica religatus rupe Prometheus
     adsiduam nimio pectore pavit avem,
nuda Caledonia sic viscera praebuit urso
     non falsa pendens in cruce Laureolus.
vivebant laceri membris stillantibus artus
     inque omni nusquam corpore corpus erat.
denique supplicium <meruit quo crimine tantum?>
     vel domini iugulum foderat ense nocens,
templa vel arcano demens spoliaverat auro,
     subdiderat saevas vel tibi, Roma, faces.
vicerat antiquae sceleratus crimina famae,
     in quo, quae fuerat fabula, poena fuit.

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 87
Linie

Martial, De Spectaculis, Ep. 31 (29)
Cum traheret Priscus, traheret certamina Verus,
   esset et aequalis Mars utriusque diu,
missio saepe viris magno clamore petita est;
     sed Caesar legi paruit ipse suae; -
(lex erat, ad digitum posita concurrere palma):
     quod licuit, lances donaque saepe dedit.
inventus tamen est finis discriminis aequi:
     pugnavere pares, succubuere pares.
misit utrique rudes et palmas Caesar utrique:
     hoc pretium virtus ingeniosa tulit
contigit hoc nullo nisi te sub principe, Caesar:
     cum duo pugnarent, victor uterque fuit.

 

Martial, De Spectaculis, Ep. 27 (24)
Si quis ades longis serus spectator ab oris,
     cui lux prima sacri muneris ista fuit,
ne te decipiat ratibus navalis Enyo
     et par unda fretis: hic modo terra fuit.
non credis? specta, dum lassant aequora Martem:
     parva mora est, dices 'hic modo pontus erat.'

 

Martial, Epigrammata, Liber V, Ep. 24
Hermes Martia saeculi voluptas,
Hermes omnibus eruditus armis,
Hermes et gladiator et magister,
Hermes turbo sui tremorque ludi,
Hermes, quem timet Helius, sed unum,
Hermes, cui cadit Advolans, sed uni,
Hermes vincere nec ferire doctus,

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 88
Linie

Hermes subpositicius sibi ipse,
Hermes divitiae locariorum,
Hermes cura laborque ludiarum
Hermes belligera superbus hasta,
Hermes aequoreo minax tridente,
Hermes casside languida timendus,
Hermes gloria Martis universi,
Hermes omnia solus et ter unus.

 

3. Einheit

Petron, Sat. XLV (4-6; 10-12)
et ecce habituri sumus munus excellente in triduo die festa; familia non lanisticia, sed plurimi liberti. et Titus noster magnum animum habet et est caldicerebrius: aut hoc aut illud, erit quid utique. nam illi domesticus sum, non est mixcix. ferrum optimum daturus est, sine fuga, carnarium in medio, ut amphitheater videat. et habet unde: relictum est illi sestertium tricenties; decessit illius pater †male†. ut quadringenta impendat, non sentiet patrimonium illius, et sempiterno nominabitur. […] sed subolfacio quia nobis epulum daturus est Mammea, binos denarios mihi et meis. quod si hoc fecerit, eripiat Norbano totum favorem. scias oportet plenis velis hunc vinciturum. et revera, quid ille nobis boni fecit? dedit gladiatores sestertiarios iam decrepitos, quos si sufflasses, cecidissent; iam meliores bestiarios vidi. occidit de lucerna equites; putares eos gallos gallinaceos: alter burdubasta, alter loripes, tertiarius mortuus pro mortuo, qui habebat nervia praecisa. unus alicuius flaturae fuit Thraex, qui et ipse ad dictata pugnavit. ad summam, omnes postea secti sunt; adeo de magna turba 'adhibete' acceperant: plane fugae merae. ‘munus tamen’, inquit, ‘tibi dedi’: et ego tibi plodo.' computa, et tibi plus do quam accepi. manus manum lavat.

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 89
Linie

 

Seneca, Ep. I, VII, 3-4
[3] Quid me existimas dicere? Avarior redeo, ambitiosior, luxuriosior? Immo vero crudelior et inhumanior, quia inter homines fui. Casu in meridianum spectaculum incidi, lusus exspectans et sales et aliquid laxamenti quo hominum oculi ab humano cruore adquiescant. Contra est: quidquid ante pugnatum est misericordia fuit; nunc omissis nugis mera homicidia sunt. Nihil habent, quo tegantur; ad ictum totis corporibus expositi numquam frustra manum mittunt. [4] Hoc plerique ordinariis paribus et postulaticiis praeferunt. Quidni praeferant? Non galea, non scuto repellitur ferrum. Quo munimenta? Quo artes? Omnia ista mortis morae sunt. Mane leonibus et ursis homines, meridie spectatoribus suis obiciuntur. Interfectores interfecturis iubent obici et victorem in aliam detinent caedem; exitus pugnantium mors est. Ferro et igne res geritur.

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 90
Linie

Cicero, Pro Sestio 106
Nunc, nisi me fallit, in eo statu civitas est, ut, si operas conductorum removeris, omnes idem de re publica sensuri esse videantur. Etenim tribus locis significari maxime de re publica populi Romani iudicium ac voluntas potest, contione, comitiis, ludorum gladiatorumque consessu.

 

Cicero, In Vatinium 37
Atque illud etiam audire de te cupio, quare, cum ego legem de ambitu tulerim ex senatus consulto, tulerim sine vi, tulerim salvis auspiciis, tulerim salva lege Aelia et Fufia, tu eam esse legem non putes, praesertim cum ego legibus tuis, quoquo modo latae sunt, paream; cum mea lex dilucide vetet „biennio, quo quis petat petiturusve sit gladiatores dare nisi ex testamento praestituta die“, quae tanta in te sit amentia, ut in ipsa petitione gladiatores audeas dare; num quem putes illius tui certissimi gladiatoris similem tribunum pl. posse reperiri, qui se interponat, quo minus reus mea lege fias.

 

IV. Auswahlbibliographie:

(a) Textausgaben

 

                                     Pegasus-Onlinezeitschrift IX/1 (2009), 91
Linie

(b) Sekundärliteratur



Ronny Kaiser
Humboldt-Universität zu Berlin
SFB Transformationen der Antike
E-Mail: Ronny.Kaiser@staff.hu-berlin.de

Martin Gloss
Berlin
Email: MartinGloss@googlemail.com


___________________

Anmerkungen:


(1) Winfried Sieberg: „Das Alltagsleben“ in Res Romanae: Ein Begleitbuch für die lateinische Lektüre. Hrsg. v. Heinrich Krefeld, 171991 Berlin, 183.

(2) Löwe, Gerhard, Stoll, Heinrich Alexander: s.v. „Gladiatoren“, in: Antike in Stichworten, Leipzig 1969, 122.

(3) Exemplarisch sei hier auf eine Publikation verwiesen, die in den gängigen Bibliotheken durchaus präsent ist, und worin ausreichend Material für das vorgeschlagene Thema zu finden ist: Gladiatoren und Caesaren. Die Macht der Unterhaltung im antiken Rom [= Begleitbuch zur Ausstellung Gladiatoren und Caesaren – die Macht der Unterhaltung im Antiken Rom. Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, 11. Februar - 18. Juni 2000], hrsg. von Cornelia Ewigleben, Eckart Köhne, Hamburg 2000.

(4) Dauer der Szene: ca. 1:21:00 h oder 1:22:00 h – 1:29:00 h; das Urteil des Kaisers folgt drei Minuten später

(5) Dauer der Szene: ca. 1:41:00 h oder 1:43:30 h – 1:48:00 h